Lungenkrebs-Schnelltest: Einmal pusten bitte
Gute Schnelltests für die Früherkennung wären ein Segen
(dpa) In ein Röhrchen zu blasen, könnte in Zukunft vielleicht nicht nur helfen, Alkohol bei Autofahrern festzustellen. In Hessen haben Wissenschaftler einen Lungenkrebs-Frühtest entwickelt, der über die Analyse von Atemluft funktioniert. Das Diagnose-Verfahren ist noch nicht marktreif, aber erste Tests hatten gute Ergebnisse. Parallel wird an Bluttests zur Früherkennung gearbeitet.
Auf die Idee mit dem Atemtest kamen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim. «Die Atemluftanalyse könnte die Erkennung von Lungenkrebs in frühen Stadien einfacher und zuverlässiger machen», sagt Arbeitsgruppenleiter Guillermo Barreto, «sie wird die herkömmlichen Verfahren aber nicht völlig ersetzen können». Der Test nutzt die Tatsache, dass bestimmte Erbgutmoleküle-Moleküle im Lungengewebe durch das Krebswachstum verändert werden. Beim Ausatmen werden Spuren dieser sogenannten RNA in die Atemluft abgegeben. RNA-Moleküle sind eine Art Arbeitskopien des Erbmaterials DNA.
Die Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sie die RNA-Moleküle aus der Luft isolieren können. Bisher haben sie das Verfahren an 138 Menschen getestet, von denen schon vorher bekannt war, ob sie Lungenkrebs hatten. Das Ergebnis: Bei 98 Prozent der Kranken schlug der Test korrekt an. Jetzt soll die Methode an mehr als 2000 Patienten in fünf verschiedenen Lungenzentren getestet werden, wie Barreto sagt. Außerdem soll die Anzahl von Markern erweitert werden, um unterschiedliche Lungenkrebstypen voneinander unterscheiden zu können.
Lungen- und Bronchialkrebs ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland die vierthäufigste Todesursache. 2015 starben daran 45.224 Menschen. «Besonders bei Frauen ist das Risiko, an Lungen- und Bronchialkrebs zu versterben, in den letzten Jahren stark angestiegen», berichtet Torsten Schelhase aus der Destatis-Fachabteilung. Waren im Jahr 2006 insgesamt 30,6 Frauen je 100.000 Einwohner daran gestorben, lag die Zahl im Jahr 2015 fast ein Viertel höher bei 37,7 Frauen je 100.000 Einwohner.
Lungenkrebs im Frühstadium spürt man meist nicht. Wenn deutliche Beschwerden auftreten, ist es oft schon zu spät dafür, den Krebs noch zu besiegen. Wird der Tumor früh erkannt, ist das fast immer Zufall. Ein Frühtest für Risikogruppen - vor allem ältere Raucher, aber auch familiär Vorbelastete - wäre ein Segen. «Wäre dies in einem früheren Stadium möglich, könnten bis zu 70 Prozent der Patienten fünf Jahre und mehr überleben», heißt es bei der Deutschen Krebsgesellschaft.
Prof. Jürgen Wolf von der Uniklinik Köln, Experte für Lungenkrebs-Diagnostik, findet die Ergebnisse aus Bad Nauheim «super spannend», betont aber: «Bis zur Anwendung ist es noch ein sehr weiter Weg.» Entscheidend werde sein, ob der Atem-Test nur bei fortgeschrittenem Lungenkrebs anschlägt - «dann wäre das nicht so viel wert» - oder schon bei Patienten mit geringer Tumorlast - «das wäre toll». Auf jeden Fall sei es «ein Ansatz, den man weiterverfolgen sollte», sagt Wolf.
Umstritten ist ein regelmäßiges Screening mit einer belastungsarmen Form der Computertomographie, ähnlich wie bei der Mammografie gegen Brustkrebs. In den USA wird das Wolf zufolge für Raucher über 50 Jahre empfohlen, in Deutschland bisher nicht. Die Krebsgesellschaft verweist auf die hohe Zahl falscher Positiv-Befunde: Patienten werden mit einem Krebsverdacht konfrontiert, obwohl sie gesund sind.
Parallel werden andere Pfade beschritten, um Lungenkrebs früher zu erkennen. Ebenfalls vielversprechend sind Wolf zufolge Bluttests. «Da passiert im Moment sehr viel.» Veraltet, weil erwiesenermaßen nutzlos, seien Tests am Sputum, dem Auswurf. «Das kann man ad acta legen.» Ein gutes Mittel dafür, nicht an Lungenkrebs zu sterben, ist schon jetzt erhältlich, die Krebsgesellschaft empfiehlt es genauso wie Lungenkrebs-Experte Wolf und unzählige andere Fachleute: «Nicht rauchen».