Mit Licht zu höherer Präzision in der zellmechanischen Forschung

Mithilfe von Optogenetik und mathematischer Modellierung zentrales Molekül für die Zellmechanik identifiziert

16.06.2017 - Deutschland

Nicht nur Muskelzellen, sondern auch alle anderen Zelltypen erzeugen kontinuierlich Kräfte im menschlichen Körper. Einer interdisziplinären Kooperation von Biologen und Physikern mit dem Heidelberger Wissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Schwarz ist es gelungen, diese Zellkräfte mit hoher Auflösung zu messen, während sie mit Licht kontrolliert ein- und ausgeschaltet wurden. Die Forscher der Universitäten Heidelberg und Chicago (USA) konnten dabei mithilfe von Optogenetik und mathematischer Modellierung ein zentrales Molekül für die Zellmechanik identifizeren.

Patrick Oakes

Mikroskopiebild der muskelartigen Strukturen in einer Nicht-Muskelzelle. Mit optogenetischen Methoden können diese jetzt gezielt aktiviert werden.

Um das Blut durch den Körper zu pumpen oder um Gliedmaßen zu bewegen, benötigt es Muskelzellen, die sich auf ein äußeres Signal hin zusammenziehen. Aber auch alle anderen Zelltypen in unserem Körper erzeugen kontinuierlich Kräfte, und zwar mithilfe von muskelartigen Strukturen, die in jeder menschlichen Zelle vorhanden sind. Zellen nutzen diese Kräfte, um mechanische Änderungen in ihrer Umgebung zu „ertasten“, was zum Beispiel bei der Heilung von Wunden eine wichtige Rolle spielt. Die zellulären Muskeln werden auch bei der Zellteilung und bei der Zellbewegung aktiviert.

Ulrich Schwarz, der sowohl am BioQuant-Zentrum als auch am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg forscht, beschäftigt sich schon seit längerem mit der Messung von Zellkräften. „Die Rolle der mechanischen Kräfte für das Verhalten von biologischen Zellen wurde lange übersehen, aber seit zwei Jahrzehnten hat sich dazu ein schnell wachsendes Forschungsgebiet, die Mechanobiologie, gebildet“, so Prof. Schwarz. Seine Arbeitsgruppe entwickelt Computeralgorithmen, die aus den Verformungen der Umgebung die Kräfte der Zelle errechnen können. Basierend auf diesen Informationen werden mathematische Modelle geschaffen, die die Mechanik der Zelle beschreiben.

„Um eine hohe Präzision bei der Zellkraftmessung zu erreichen, müssen die Zellen auf flachen Unterlagen untersucht werden. Darauf lassen sich jedoch nicht so kontrolliert Kräfte erzeugen wie im menschlichen Körper“, erklärt Prof. Schwarz. Abhilfe konnten hier die experimentellen Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Michael Glotzer und Prof. Dr. Margaret Gardel aus Chicago schaffen. Sie haben eine neue optogenetische Methode entwickelt, um die Zellkräfte gezielt mit Licht zu steuern. Zusammen mit drei Mitarbeitern seiner Arbeitsgruppe ist es Prof. Schwarz gelungen, die Daten aus Chicago mithilfe speziell entwickelter Algorithmen zu analysieren.

Bei ihrer mathematischen Auswertung machten die Forscher eine überraschende Entdeckung: „Wir haben die Rolle verschiedener Moleküle für die Krafterzeugung und Kraftübertragung untersucht und dabei entdeckt, dass ein bestimmtes Reparaturprotein namens Zyxin dafür ganz wesentlich ist“, erklärt Prof. Schwarz. „Das legt nahe, dass sich die Zelle kontinuierlich selbst zum mechanischen Reißen bringt, so wie sich ein Reißverschluss unter Kraft öffnet. Nur durch eine ständige Reparatur kann die Zelle also die elastischen Eigenschaften erhalten, die für ihre Funktion so wichtig sind.“

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