Mit Photonen im Trüben messen

Prozessparameter einfacher, flexibler und umfassender in Echtzeit und ohne Probenahme erfassen

16.06.2017 - Deutschland

Vielfältige chemische und biotechnologische Prozesse sind mit dem Entstehen, dem Wachstum oder der Veränderung von Partikeln verbunden. Eine detaillierte Beobachtung von Partikelgröße und Partikelanzahl im laufenden Prozess ohne zeit- und arbeitsaufwändige Probenentnahme soll die Überwachung und Steuerung solcher Prozesse in Echtzeit zukünftig vereinfachen oder überhaupt erst ermöglichen. Im Projekt »WAVESCATTER« haben sich dazu vier Unternehmen und das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT zusammengeschlossen. Ziel ist die Entwicklung einer winkelauflösenden Wellenleiter-Streulichtsonde für die präzise Inline-Partikelanalytik.

RWTH Aachen University

Gekrümmter Wellenleiter in einem Glaskörper, mit fs-Laserstrahlung strukturiert.

Wirkstoffe für Medikamente werden heute zum großen Teil durch spezielle Mikroorganismen in Bioreaktoren produziert, wo die Wachstumsprozesse von besonderer Bedeutung sind. Die Mikrobenkultur wird zusammen mit einer geeigneten Nährlösung in den Bioreaktor gebracht, vermehrt sich dort und produziert die gewünschte Substanz wie z.B. Insulin, den Lebensretter für Diabetiker. Die Mikrobenkultur im Bioreaktor darf auf keinen Fall mit anderen Mikroorganismen verunreinigt werden. Dies gelingt am besten, wenn der Reaktor hermetisch abgeschlossen wird, bis der Produktionsprozess beendet ist. Die Herausforderung liegt in der ständigen Überwachung des Prozesses für einen optimalen Ablauf, um beispielsweise die Nährstoffzugabe an das Wachstumsverhalten der Mikroorganismen anzupassen. Eine regelmäßige Probennahme mit nachfolgender Offline-Analyse der Mikrobenkultur ist nicht nur arbeits- und zeitintensiv, sondern stellt auch eine mögliche Kontaminationsquelle für den Bioreaktor dar. Bislang werden Proben aus dem Reaktor entnommen und verdünnt, um z.B. die Größenverteilung und Anzahldichte der Mikroorganismen messen zu können. Mit der im WAVESCATTER Projekt anvisierten Technologie wird eine inline-fähige Partikelanalytik entwickelt, die ohne Probenverdünnung auch in optisch dichten Lösungen Partikelgrößen zwischen wenigen 10 nm und mehreren µm in Echtzeit bestimmbar macht.

Dadurch werden völlig neue Möglichkeiten zur rückgekoppelten Überwachung und Steuerung von chemischen und biotechnologischen Produktionsprozessen ermöglicht. Eine Kontamination des Fermenters durch unerwünschte Fremdorganismen kann frühzeitig erkannt werden. Qualitätssicherung und Prozessausbeute können so verbessert werden. Damit die Probenentnahme aus einem Bioreaktor nicht mehr notwendig ist, hat sich das Konsortium in diesem Verbundprojekt zusammengefunden. Ziel ist die Entwicklung einer optischen Tauchsonde, welcher durch eine winkelaufgelöste Streulichtmessung die Größenverteilung von Partikeln z.B. in Biofermentern bestimmen kann. Die Lichtführung in der Sonde erfolgt mit Hilfe von Wellenleitern, die Lichtdetektion mit einer CCD / CMOS Zeile. Aus dem winkelaufgelösten Streulichtsignal können über die Partikelgrößenverteilung Informationen zu Zellgröße und Teilchenzahldichte im Inneren des Bioreaktors gewonnen und zur Prozesssteuerung verwendet werden. Eine Fremdbesiedelung durch unerwünschte Mikroorganismen kann frühzeitig erkannt werden. Perspektivisch ist auch die Ermittlung von wichtigen zellbiologischen Parametern möglich (Lebend- / Totzellunterscheidung, Erkennung von intrazellulären Inklusionskörpern).

Nach erfolgreichem Projektabschluss steht der Prozessanalytik in den Bereichen Arzneimittelherstellung und Lebensmittelproduktion ein neues Werkzeug zur Verfügung, mit dem Prozessparameter einfacher, flexibler und umfassender in Echtzeit und ohne Probenahme erfasst werden können. Weitere Einsatzgebiete können chemische Polymerisationsreaktionen, Kristallisationen oder Dispersionsprozesse sein.

Das Projekt »Winkelauflösende Wellenleiter-Streulichtsonde für die Inline-Prozessanalytik« – WAVESCATTER wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Photonik Forschung Deutschland, Förderinitiative »Digitale Optik«, unter dem Förderkennzeichen 13N14176 mit insgesamt 2,1 Mio € gefördert.

Projektkonsortium:

  • Hellma GmbH & Co. KG, Müllheim (Konsortialführer)
  • Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen
  • ABS Gesellschaft für Automatisierung, Bildverarbeitung und Software mbH, Jena
  • ARTES Biotechnology GmbH, Langenfeld (Rheinland)

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