Hohes Alter, aber nicht für alle
Wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt
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Wir werden immer älter. Um 1900 betrug die mittlere Lebenserwartung der Menschheit geschätzt 30 Jahre. Heute ist sie bei einem Durchschnitt von rund 71 Jahren angelangt – ein Zugewinn an Lebenszeit von etwa dreieinhalb Jahren pro Jahrzehnt. Frauen in Japan, die weltweiten Spitzenreiterinnen, kommen heute im Mittel auf fast 87 Jahre. Und Hochrechnungen zufolge könnten südkoreanische Mädchen des Geburtsjahrganges 2030 sogar über 90 Jahre alt werden.
Auf den ersten Blick sieht das nach einem ungebrochenen Aufwärtstrend aus. Selbst wo er zwischenzeitlich stagnierte oder sogar zurückging, etwa in den 1990er Jahren durch die HIV/Aids-Epidemie in Afrika und Asien, ist ein Aufholprozess zu beobachten. In den Industrieländern beruht der stetige Anstieg der Lebenserwartung wesentlich darauf, dass sich durch moderne Medizin und Prävention die Überlebenswahrscheinlichkeit für die hohen Altersgruppen erhöht hat.
Doch es gibt Hinweise, dass ein biologisches Limit erreicht sein könnte. Hinzu kommt, dass die Gesundheitssysteme infolge der Alterung an finanzielle Grenzen stoßen werden. Vor allem aber gibt es Entwicklungen, die zumindest regional beziehungsweise in bestimmten Schichten der Gesellschaft den Anstieg der Lebenserwartung bremsen. So können neugeborene Jungen im wohlsituierten bayerischen Landkreis Starnberg mit rund acht Jahren mehr Lebenszeit rechnen als ihre Geschlechtsgenossen in der ehemaligen Schuhmachermetropole Pirmasens in Rheinland-Pfalz. In den USA liegen sogar rund 20 Jahre zwischen dem Bezirk (County) mit der höchsten und jenem mit der niedrigsten mittleren Lebenserwartung.
„Viele Studien belegen, dass zwei Faktoren entscheidend sind für gesundheitliche Ungleichheit und damit das Risiko, vorzeitig zu sterben: der Sozialstatus und das Bildungsniveau“, sagt Reiner Klingholz, der Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Je niedriger der sozioökonomische Status, desto höher die subjektiv erlebte Stressbelastung. Auf Dauer fördert dieser Lebensstress die Entstehung von körperlichen Erkrankungen, Depressionen und anderen psychischen Störungen. Hinzu kommt, dass Risikofaktoren für die Gesundheit wie Bewegungsmangel, Übergewicht und Rauchen in Gruppen mit niedrigem Sozialstatus überproportional häufig vorkommen. „Gesellschaft und Politik müssen aktiv werden, um diese Ungleichheiten zu verringern“, so das Fazit der Studie.
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