Jedes Herz ist anders

Forscher klären warum

12.05.2017 - Deutschland

Stark oder schwach, groß oder klein – minimale Veränderungen im Erbgut entscheiden mit darüber, wie unser Herz schlägt und gestaltet ist. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) haben zusammen mit einem internationalen Konsortium zehn neue genetische Varianten identifiziert, die mit der Struktur und der Funktion des Herzens in Verbindung stehen. Die Ergebnisse helfen, das komplexe Muster aus erblichen und umweltbedingten Faktoren zu verstehen, das Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugrunde liegt und könnten damit die Basis für neue Therapien bilden.

DZHK

Eine Ultraschalluntersuchung liefert Daten zur Struktur und Funktion des Herzens.

Die im The Journal of Clinical Investigation veröffentlichte Arbeit ist eine umfangreiche Meta-Analyse von 30 bevölkerungs- und krankenhausbasierten Studien, die das internationale EchoGen-Konsortium durchgeführt hat. Unter Federführung der DZHK-Standorte Greifswald, Hamburg/ Lübeck/Kiel und RheinMain haben die Wissenschaftler untersucht, ob bestimmte Merkmale zur Struktur und Funktion des Herzens mit Veränderungen im Erbgut in Verbindung stehen. Mithilfe des Herzultraschalls erhobene Daten von 46.533 Probanden überwiegend europäischer Abstammung wurden hierfür ausgewertet. Die Daten enthalten Informationen zur Herzstruktur, etwa der Masse der linken Herzkammer oder zum Durchmesser der Aortenwurzel. Außerdem umfassen sie funktionelle Messwerte der systolischen Phase, während der das Herz Blut in den Körper pumpt und der diastolischen Phase, bei der sich das Herz mit Blut füllt. Beide Phasen können gestört und die Ursache für eine Herzschwäche sein.

„Wir haben für jeden einzelnen Wert untersucht, ob es erbliche Varianten gibt, die mit ihm assoziiert sind und in einem dreistufigen Ansatz Ergebnisse aus der ersten Analyse in unabhängigen Personengruppen erneut überprüft “, veranschaulicht Prof. Philipp Wild von der Universitätsmedizin Mainz das aufwändige Studiendesign. Dabei haben sich die Forscher auf typische Variationen im Erbgut, die sogenannten SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms) konzentriert. Sie bezeichnen Stellen im DNA-Strang, bei denen nur ein einzelner Baustein, ein sogenanntes Nukleotid verändert ist. SNPs sind ungleichmäßig im ganzen Genom verteilt, durchschnittlich kommen sie alle 300 Nukleotide vor. Meistens liegen sie in Bereichen, die keine Information für den Bauplan von Proteinen enthalten. Diese Regionen können aber regulatorische Funktionen haben, z. B. kontrollieren, wie oft ein Bauplan abgelesen und umgesetzt wird.

Verbindungen zu Struktur und Funktion des Herzens

Sieben der identifizierten erblichen Faktoren sind mit der Größe der Aortenwurzel assoziiert, also dem Teil der großen Körperschlagader, der direkt aus der linken Herzkammer austritt. Außerdem konnten die Forscher für vier bereits bekannte erbliche Varianten bestätigen, dass sie mit diesem Parameter in Verbindung stehen. „Die elf erblichen Varianten, die wir jetzt identifiziert haben, machen nur 1,7 Prozent der zwischen einzelnen Menschen beobachteten Unterschiede in der Größe der Aortenwurzel aus. Das hört sich erst einmal nicht viel an. Doch aus einer anderen Analyse in einer großen Studien-Population wissen wir, das sich 30 Prozent der inter-individuellen Varianz bei der Aortenwurzel durch alle bisher bekannten SNPs erklären lassen“, verdeutlicht Prof. Tanja Zeller, Wissenschaftlerin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, den Einfluss dieser erblichen Varianten auf die Struktur des Herzens. Außerdem entdeckten die Forscher zwei neue genetische Varianten, die mit dem Durchmesser der linken Herzkammer assoziiert sind. Ein weiterer erblicher Faktor steht mit dem Füllungsverhalten der linken Herzkammer in Verbindung, das zum Beispiel bei einer Herzschwäche gestört sein kann.

Wichtige Schritte auf dem Weg zu neuen Therapien

Für einige der untersuchten Herz-Parameter haben die Wissenschaftler keine erblichen Varianten gefunden. „Das kann verschiedene Ursachen haben. Entweder ist der genetische Einfluss so gering, dass er nicht entdeckt wurde oder es liegt daran, dass wir uns nur auf bekannte SNPs konzentriert und nicht das gesamte Erbgut untersucht haben. Nichts gefunden zu haben, bedeutet also nicht, dass es keinen genetischen Einfluss gibt“, erklärt der Greifswalder Mediziner Prof. Marcus Dörr.

Weitere funktionelle Studien müssen nun klären, wie genau die entdeckten erblichen Veränderungen Bau und Funktion des Herzens mitbestimmen. Denn daraus können sich neue Möglichkeiten eröffnen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen und sie zu behandeln. Erste Schritte hierzu werden derzeit innerhalb der im DZHK gegründeten Projektgruppe "Omics und Systemmedizin" in Angriff genommen.

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