Giftige Wirkung von Zigarettenrauch verringert

Abwehrmechanismus der Natur mit Hilfe von Nanopartikeln nachgeahmt

31.03.2017 - Deutschland

Chemiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben eine Methode entwickelt, um die giftige Wirkung kommerzieller Zigaretten zu senken. Obwohl laut Weltgesundheitsorganisation WHO jedes Jahr etwa 6 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums sterben, wächst die Zahl der Raucher weltweit. Die Zahl der Todesfälle durch Tabakkonsum entspricht einem Wert, als würde stündlich ein Passagierflugzeug abstürzen. Im Jahr 2016 konnte die Tabakindustrie, laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes, allein in Deutschland mit dem Verkauf von Zigaretten einen Umsatz von rund 20,5 Milliarden Euro erzielen.

Abb./©: Karsten Korschelt, AG Tremel, JGU

Vom Labor ins alltägliche Leben: Künstlich hergestellte Kupferhydroxid-Nanopartikel katalysieren den Abbau von Sauerstoffradikalen durch Nachahmen des enzymkatalysierten natürlichen Abwehrmechanismus. Durch Einbringen der Nanopartikel in kommerzielle Zigarettenfilter kann die giftige Wirkung von Zigarettenrauch verringert werden.

Tabakrauch enthält nahezu 12.000 verschiedene Bestandteile, darunter neben narkotoxischen Komponenten wie zum Beispiel Nikotin und bluttoxischen Bestandteilen wie Blausäure oder Kohlenstoffmonoxid auch krebserregende Substanzen. Zu diesen gehören freie Sauerstoffradikale, sogenannte reaktive Sauerstoffspezies, von denen pro Zigarettenzug mehr als zehn Billiarden (10^16) Moleküle eingeatmet werden. Die Mainzer Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Tremel haben einen Weg gefunden, die Zahl dieser freien Sauerstoffradikale und damit die Giftigkeit von Zigaretten deutlich zu senken. Diese Entwicklung könnte nicht nur dazu beitragen, den Genuss von Tabakprodukten ein Stück weit ungefährlicher zu machen, sondern sie lässt sich auch auf weitere Gebiete ausweiten, in denen reaktive Sauerstoffradikale ein Problem darstellen.

Die grundlegenden Ideen holten sich die Forscher dabei von Enzymen aus der Natur. Eine erhöhte Konzentration von reaktiven Sauerstoffspezies, zum Beispiel durch enzymatische Dysfunktion, UV-Strahlung oder das Inhalieren von Zigarettenrauch, kann zu unkontrollierter Zellteilung und oxidativer Zellschädigung führen. Zur Regulierung der Radikalkonzentration verwendet die Natur antioxidativ wirkende Enzyme wie die Superoxid-Dismutase (SOD), die eine zentrale Rolle bei der Prävention von Krankheiten, etwa der Tumor- und Krebsbildung, Entzündungen sowie Schlaganfallerkrankungen, spielt. Das natürliche Enzym nutzt dabei Metalle wie Kupfer, Zink, Nickel, Eisen und Mangan als reaktive Zentren, an denen Sauerstoffradikale zersetzt werden, sodass der lebende Organismus vor ihrem aggressiven Reaktionsverhalten geschützt wird.

Viele Enzyme wie die SOD lassen sich leicht herstellen oder isolieren. Problematisch ist jedoch ihre geringe Stabilität bei hohen Temperaturen oder nicht-physiologischen pH-Werten. Mit Blick auf natürliche Enzyme beschäftigen sich Forscher im Bereich der Biomimetik damit, das biologische Reaktionsverhalten mit Hilfe synthetischer Verbindungen nachzuahmen. Der Chemiker Karsten Korschelt und die Lebensmittelchemikerin Dr. Carmen Metzger untersuchten Aminosäure-funktionalisierte Kupferhydroxid-Nanopartikel als potenzielle synthetische Analoga kupferhaltiger SOD. Dabei zeigte sich, dass die Partikel eine höhere katalytische Aktivität bei der Zersetzung reaktiver Sauerstoffradikale besitzen als das Enzym selbst. „Dies ist im Prinzip nicht verwunderlich, da alle Kupfer-Atome auf der Partikeloberfläche katalytisch wirksam sein können, das Enzym aber nur ein aktives Zentrum besitzt“, teilt Prof. Wolfgang Tremel dazu mit. Im Gegensatz zu natürlichen Enzymen sind funktionalisierte Kupferhydroxid-Nanopartikel sehr stabil und kostengünstig herstellbar.

Vom Labor ins alltägliche Leben

Obwohl sich enzymatische Reaktionen aus der Natur mit Hilfe von Nanopartikeln nachahmen lassen, gibt es bisher nur wenige Alltagsanwendungen, die auf diesem Prinzip basieren. Nanopartikel selbst werden zum Beispiel in Kosmetika oder zur Nanoversiegelung in Lacken und Textilien verwendet. Auch freie Radikale umgeben uns im alltäglichen Leben so sehr, dass ihre Anwesenheit häufig in Vergessenheit gerät. Vor allem in Abgasen und in Zigarettenrauch spielen sie eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Aus diesem Grund untersuchten die Mainzer Chemiker in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Dr. Jürgen Brieger von der Universitätsmedizin der JGU die Möglichkeit, die funktionalisierten Kupferhydroxid-Nanopartikel in Zigarettenfilter zu integrieren, um die Konzentration der freien Radikale zu verringern und Raucher vor deren giftigen Einflüssen zu schützen. Untersuchungen der Zytotoxizität zeigen, dass Zigarettenrauchextrakte in den untersuchten Konzentrationen nach dem Passieren nanopartikelhaltiger Zigarettenfilter keine toxische Wirkung auf menschliche Zellen haben, während Kontrollmessungen mit unbehandelten Filterzigaretten eine erhöhte Toxizität aufweisen. „Dies zeigt die positive Wirkung der Partikel als Teil des Zigarettenfilters und ihre Stabilität beim Rauchprozess“, merkt Karsten Korschelt an. Die Mainzer Forscher konnten zeigen, dass man mit Hilfe von Nanopartikeln den Abwehrmechanismus der Natur nachahmen und eine Verringerung der giftigen Wirkung verschiedener Arten von Rauch erreichen kann.

Die Durchführung und Entwicklung der angewandten Methoden und Analysen wurden in Kooperation mit der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt. Der wissenschaftliche Artikel wurde in der Fachzeitschrift Nanoscale publiziert.

Originalveröffentlichung

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