Die Vererbung von Gensiegeln

21.03.2017 - Deutschland

Obwohl alle Zellen die gleichen Gene enthalten, sind je nach Zelltyp nur einige von ihnen aktiv - andere bleiben inaktiv. Gene winden sich als DNA-Faden um Histonproteine. Muss ein Gen inaktiv bleiben, werden seine Histone vom Enzym PRC2 markiert, vergleichbar mit einem Buch, das versiegelt wird und so nicht gelesen werden kann. Nach jeder Zellteilung - wenn Gene kopiert und wieder um Histone gewickelt werden ‒ müssen die Histonmarkierungen wieder an exakt der selben Stelle platziert werden. Den genauen Mechanismus, wie diese Information vererbt wird konnte jetzt Jürg Müller vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried klären.

Monika Krause © MPI of Biochemistry

Wie bei einem versiegeltes Buch können einige Gene aus der DNA-Bibliothek nicht gelesen werden, denn manche Gene werden je nach Zelltyp nicht gebraucht. Das Enzym PRC2 hilft in den Zellen beim Versiegeln.

In Tieren und Pflanzen ist die genomische DNA im Zellkern um kleine Proteine, die Histone gewickelt. Jürg Müller, Leiter der Abteilung „Biologie des Chromatins“ erklärt: „Die DNA ist wie eine große Bibliotek. Jedes Buch entspricht der genauen Bauanleitung für ein Protein. Obwohl in allen Zellen die selbe DNA-Bibliothek vorhanden ist, sind einige Bücher versiegelt. Eine Muskelzelle braucht andere Protein-Bauanleitungen als eine Darmzelle.“

Es gibt Regulationsmechanismen in Zellen, die das Lesen von Genen verhindern. Die chemische Markierung von Histonproteinen spielt bei der permanenten Versiegelung von Genen eine entscheidende Rolle. Mit der Frage, wie das Lesen von bestimmten Genen in den verschiedenen Zelltypen dauerhaft verhindet und vererbt wird, untersuchte Müller mit seinem Team in der aktuellen Studie.

Histone entscheiden, wie zugänglich ein Gen ist. An Genen, die inaktiv bleiben müssen, werden Histone durch das Enzyms PRC2 chemisch modifiziert. „Wäre das Histon ein Buchverschluss, hilft PRC2 beim Versiegeln, und verhindert das Lesen“, beschreibt Müller.

Bei der Zellteilung wird die Information, welche Gene in welchen Zelltypen aktiv bzw. inaktiv sind an die Tochterzellen weiter gegeben – oder im Bild gesprochen: Alle Bücher müssen kopiert werden. Dabei müssen die Kopien bestimmter Bücher wieder versiegelt werden. Dazu reichen die in der Mutterzelle vorhandenen Histone aber nicht aus. Daher werden neu hergestellte Histone eingebaut.

„Wir haben jetzt untersucht, wie die in der Mutterzelle vorhandenen markierten Histonproteine an einem Gen während der Zellteilung verteilt werden, und wie neu eingebaute Histone die Markierung durch PRC2 erhalten“, so Müller. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die schon markierten Histone zufällig auf die Tochterzellen verteilt werden. Damit PRC2 die „neuen“ Histone versiegeln kann, muss es zuvor an bestimmte Sequenzen in der DNA – sogenannte Polycomb Response Elemente – binden. „Wird diese Polycomb Response Element-DNA aus der DNA entfernt, kann keine neue PRC2 Histonversiegelung mehr stattfinden. Dann gibt es nur die schon markierten Histone aus der Mutterzelle. Bei jedem weiteren DNA-Kopiervorgang und somit jeder Zellteilung wird die Anzahl der versiegelten Histone verdünnt und geht so nach einigen Teilungen komplett verloren“, erklärt Friederike Laprell, Erstautorin der Studie.

Der Verlust dieser Versiegelung führt dazu, dass Gene aktiv werden, welche neue Entwicklungsprogramme anschalten. So verliert die Zellen innherhalb kürzester Zeit ihre Identität. „Gemeinsam bilden somit die Polycomb Response Element-DNA und PRC2 das Fundament um Gene vererbbar inaktiv zu halten. Nur so bleibt die Zellidentität über viele Generationen hindurch erhalten“, fasst Müller zusammen.

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