Umweltforscher entwickeln neue Biosensoren für Gewässerkontrolle
Sensoren weisen Medikamente und deren Wirkung im Wasser schneller und in geringen Mengen nach
M. Frey
Mit dem demographischen Wandel steigt der Verbrauch von Medikamenten in den Industrienationen. Bereits heute gelangen große Mengen pharmakologisch wirksamer Substanzen über das Abwasser in Kläranlagen. Weil sie nur unzureichend wieder entfernt werden können, sind Organismen in Oberflächengewässern einem „Cocktail“ aus Arzneimitteln ausgesetzt. Die Anzahl der eingetragenen Medikamente nimmt dabei ständig zu. So können beispielsweise Schmerzmittel auch bei Fischen schädliche Nebenwirkungen verursachen, schon bei Konzentrationen von wenigen Mikrogramm pro Liter Wasser. Ökotoxikologen und Umweltchemiker sind herausgefordert, das immer vielfältigere Vorkommen von Arzneimitteln zu quantifizieren und deren schädigende Wirkung auf die Umwelt abzuschätzen.
Im Verbundprojekt „EffPharm“ arbeiten Biologen, Biochemiker und analytische Chemiker verschiedener Institutionen gemeinsam an diesem Thema. Das Projekt wird vom Umweltbundesamt gefördert und von der Tübinger Ökotoxikologin Professorin Rita Triebskorn koordiniert. So gelang es der Arbeitsgruppe um Dr. Manfred Frey vom Steinbeis-Innovationszentrum Zellkulturtechnik an der Hochschule Mannheim, für die zwei genannten pharmazeutische Wirkstoffklassen zellbasierte Biosensoren zu entwickeln. Diese erlauben es, die Bindung dieser Substanzen an ihre Zielmoleküle (Rezeptoren) in „gereinigtem“ Abwasser in Echtzeit zu bestimmen. An der Universität Tübingen wiesen Professorin Rita Triebskorn und Professor Heinz Köhler von der Arbeitsgruppe „Physiologische Ökologie der Tiere“ nach, wie sensitiv die Biosensoren sind: Sie erfassen schon geringe Konzentrationen der Medikamente, in denen erste Schäden bei Wasserorganismen auftreten. Dr. Marco Scheurer vom Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe zeigte, dass die neuen Biosensoren einen großen Teil der Verbindungen erfassen, die bisher durch aufwändige und zeitintensive chemische Analysen nachgewiesen werden mussten. Zusätzlich schließen die Testsysteme die Effekte von Abbauprodukten der Wirkstoffe und unbekannten Verbindungen mit ein, was für die ökologische Bedeutung der Umweltbelastungen entscheidend ist.
Wie die Autoren der Studie darlegen, vereinigen die neuen Biosensoren viele Vorteilen gegenüber bisherigen Ansätzen. Nachdem die Biosensor-Zelllinien Kontakt mit Pharmazeutika in Umweltproben hatten, erscheint innerhalb von Sekunden ein Fluoreszenzsignal. Im Gegensatz zu herkömmlichen Sensoren erfassen sie so die Wirkung von Chemikalien in der Zelle in Echtzeit und vermeiden Falschinformationen, wie sie in Systemen auftreten können, die erst nach Stunden Signale erzeugen. Dadurch besitzen die Testsysteme eine extrem hohe Sensitivität im Nanomolarbereich (ein Millionstel Promille), die vergleichbar mit der chemischen Analytik ist.
Durch ihre Funktionsweise können die Biosensoren zudem die Wirkung künftiger Beta-Blocker oder NSAIDs aufspüren, obwohl deren chemische Struktur noch gar nicht bekannt ist. „Es wäre wünschenswert, dass die hier entwickelte Technik künftig in Monitoring-Programmen zur Bestimmung von Wasserqualität und Reinigungsleistung von Kläranlagen eingesetzt wird“, sagt Professorin Rita Triebskorn. „Damit wäre eine wichtige Lücke in der Plausibilitätskette zwischen dem Auftreten von Arzneimitteln in Gewässern und den bei betroffenen Organismen auftretenden Gesundheitsschäden geschlossen.“