Zellstoffwechsel begünstigt Tumorwachstum
Jede gesunde Zelle unseres Körpers hat eine bestimmte Aufgabe, die durch ein genau reguliertes Netzwerk an Signalketten und Abläufen kontrolliert wird. Krebszellen wollen dagegen vor allem nur eines, sich möglichst häufig teilen. Die strikte Ordnung ist deshalb aufgehoben und zu Gunsten von Faktoren, die die Zellteilung vorantreiben, verschoben. Wichtige Signalmoleküle wie STAT5, das in Blutzellen eigentlich die Reifung und Teilung kontrolliert, werden zu einer Überfunktion angestachelt und in Tumorförderer umgewandelt. Ein Forschungsteam um Richard Moriggl von der Abteilung für funktionelle Krebsgenomik der Vetmeduni Vienna konnte nun bei Versuchen mit STAT5 zeigen, dass auch der Stoffwechsel und speziell der Zuckerhaushalt der Krebszellen eine wesentliche Rolle für aggressives Tumorwachstum spielt.
Stoffwechselzustand ändert sich in Krebszellen
Bei der Entwicklung von Blutzellen wird STAT5 durch einen speziellen chemischen Prozess, das Anhängen einer Phosphatgruppe an eine bestimmte Aminosäure, aktiviert und kann dadurch bestimmte Gene ein- oder abschalten. Die Aktivierung ist in gesunden Zellen nur kurzfristig. In STAT5-regulierten Tumorzellen entsteht dagegen ein kontinuierliches Signal durch eine langfristige Phosphorylierung. „Damit verschiebt sich das Muster an eingeschalteten Genen, die Zellen beginnen sich unkontrolliert zu teilen und es kommt unter anderem zum Blutkrebs, der Leukämie“, erklärt Moriggl. Sein Team um Forschende der Vetmeduni Vienna, der MedUni Wien und vom Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung untersucht deshalb, welche Faktoren zu der langfristigen oder häufigeren Phosphorylierung führen und normale Blutzellen in Krebszellen verwandeln.
„Bei Versuchen, wie STAT5 aktiviert wird, zeigte sich unter anderem, dass der Zuckerhaushalt der Krebszellen einen wesentlichen Einfluss hat. Üblicherweise verbrennen Körperzellen den Zucker komplett durch Oxidation“, erklärt Erstautorin Patricia Freund. In Krebszellen ist dieser Prozess jedoch zumeist unvollständig. Der Zucker wird für die Energiegewinnung nicht mehr vollständig oxidiert, sondern vermehrt für Wachstum und schnelle Zellteilung verwendet. Krebszellen sind „süchtig“ nach Zucker, wie Glucose.
Leukämiefaktor wurde als zuckerabhängig identifiziert
Bei guter Nährstoffversorgung wird ein spezielles Zuckermolekül, UDP-GlcNAc, im Überfluss gebildet. Damit wird der Zelle signalisiert, dass sie genug Ressourcen für die Zellteilung hat. Ein spezielles Enzym kann dieses Zuckermolekül als Markierung an verschiedenen Eiweißstoffen anbringen und dadurch Stoffwechselprozesse steuern. STAT5 hat eine dieser Bindungsstellen und die Bindung des Zuckermoleküls unterstützt auch die Aktivierung dieses Regulationsfaktors. Das Forschungsteam konnte damit den Einfluss des Stoffwechsels auf die Entwicklung von Krebszellen nun eindeutig in einem Versuch zeigen.
Neuer Therapieansatz möglich
„Wir konnten mit einer gentechnischen Variante von STAT5 den Einfluss des Stoffwechsels auf dieses Onkogen entschlüsseln. GlcNAc kann nicht an diese STAT5-Variante gebunden werden. Dadurch erfolgte auch keine Aktivierung des Signalmoleküls. Durch das modifizierte STAT5 waren Krebszellen blind für das Nährstoffangebot. Die Variante simulierte sozusagen einen leeren Tank“, erklärt die Erstautorin Patricia Freund. Die Forschenden zeigten, dass die STAT5 Variante ohne GlcNAc Markierung nicht nachhaltig phosphoryliert wird. Damit fehlt die langfristige Aktivierung, die auch für eine Transformation von Zellen in Krebszellen notwendig ist.
„Wenn der Tank leer ist, kann die Zelle sich nicht teilen“, erklärt Moriggl. Die Signale einer guten Versorgung von Nährstoffen, also einer hohen Konzentration von UDP-GlcNAc, sind eine Voraussetzung, dass onkogene Signale über STAT5 den Zellkern erreichen. „Mit unseren Versuchen konnten wir zeigen, dass man STAT5 gezielt abschalten kann, und damit einer Krebszelle selektiv vortäuscht, dass der Nährstofftank leer ist. Gemeinsam mit unseren Kollaborationspartnern werden wir nun das therapeutische Potential dieser Strategie erforschen“, erläutert Moriggl die Möglichkeit zu einem neuen Therapieansatz für Leukämiepatienten.