„Kuschelhormon“ aus Insekten als möglicher Wirkstoff zur Unterdrückung von frühzeitigen Wehen

08.02.2017 - Österreich

Ein internationales Forscherteam unter Leitung der MedUni Wien konnte in einer aktuellen Studie zeigen, dass ein aus Ameisen isoliertes, oxytozin-ähnliches Neuropeptid („Inotozin“) ein besonderes pharmakologisches Wirkungsspektrum für die menschlichen Hormonrezeptoren des Oxytozin (bekannt als „Kuschelhormon“) und Vasopressin besitzt. Gleichzeit konnten die Forscher zeigen, dass ein auf Inotozin basierender Wirkstoff als molekulares Werkzeug zum grundlegenden Verständnis biochemischer Signalprozesse des Oxytozin und Vasopressin dient, und möglicherweise zur Entwicklung von Arzneistoffen zum Beispiel zur Hemmung der frühzeitigen Wehentätigkeit einsetzbar sein könnte.

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Die Forscher aus Österreich (MedUni Wien, Universität Wien, IST Austria), Australien, Dänemark, England sowie Tschechien unter der Leitung von Christian Gruber vom Institut für Pharmakologie der MedUni Wien konnten ein Ameisen-Neuropeptid isolieren, welches dem menschlichen „Kuschelhormon“ Oxytozin bzw. dessen verwandten Vaspopressin sehr ähnlich ist. „Durch den Einbau einer kleinen chemischen Änderung dieses Insekten-Neuropeptids konnten wir überraschenderweise einen sehr stabilen und vor allem hochselektiven Hemmstoff des menschlichen Vasopressin V1a-Rezeptors entwickeln“, erklärt Christian Gruber vom Institut für Pharmakologie der MedUni Wien. „Dieser Ligand wurde auf menschlichem Gebärmuttergewebe getestet und konnte wirkungsvoll die Muskelkontraktion unterdrücken. Es sind nun weitere Versuche notwendig um diesen Wirkstoff hinsichtlich klinischer Anwendungen zu überprüfen.“

Wider die Muskelkontraktion bei frühzeitigen Wehen

Vasopressin (auch antidiuretisches Hormon genannt) spielt insbesondere bei der Regulierung des Wasserhaushaltes in den Nieren eine wichtige Rolle, kann aber auch die Durchblutung der Gebärmutter und zusammen mit Oxytozin die Wehentätigkeit während des Geburtsvorgangs beeinflussen. Ein Hemmstoff für den menschlichen Vasopressin-V1a-Rezeptor könnte daher in der Klinik bei vorzeitigen Wehen verabreicht werden, um die unerwünschte, frühzeitige Gebärmutterkontraktion zu unterdrücken. Aber auch andere klinische Einsatzgebiete sind denkbar – zum Beispiel die Behandlung von Belastungssyndrom, Aggression, Depression oder Angstzuständen, sowie Herzinsuffizienz, Schlaganfall oder Regelbeschwerden, spielt doch der Vasopressin V1a-Rezeptor ebenso eine wichtige Rolle im Gehirn und im Herz-Kreislaufsystem.

600 Millionen Jahre bestehendes Oxytozin-Vasopressin-Signalsystem

Um derartige Zusammenhänge in den Molekülen zu entschlüsseln bzw. aufzudecken, benutzen die Forscher eine einzigartige Strategie für die Liganden-Entwicklung, welche die Vorteile der evolutionären Gemeinsamkeiten des seit etwa 600 Millionen Jahre bestehenden Oxytozin-Vasopressin-Signalsystems ausnützt. Das führt auch zu neuen Einblicken und zur Identifizierung wichtiger Bausteine der Rezeptoren, um künftig bessere Wirkstoffkandidaten herstellen zu können. „Unser Konzept ist neuartig und faszinierend zugleich: Man nehme ein Insekten-Neuropeptid als Botenstoff, überspringt dann etwa 600 Millionen Jahre der Evolution und dieser Stoff, mit einer kleinen chemischen Änderung versehen, eignet sich potenziell als möglicher Wirkstoff beim Menschen“, erklärt Gruber. „Ebenso wichtig ist es, diese neuartigen Moleküle als „Werkzeug“ für die Forschung bereitzustellen. Erst durch Entwicklung von rezeptorsubtyp-selektiven Stoffen (Anm.: Liganden) ist es möglich die biochemischen Grundlagen der jeweiligen Signalsysteme zu erforschen“, fügt Gruber hinzu.

Oxytozin-Vasopressin-Signalsystem im gesamten Tierreich?

Bei Insekten wiederum gab es – im Gegensatz zu anderen Tieren – bisher noch wenige Informationen über die Biologie dieses Neuropeptid-Signalystems. „Wir konnten nun aber mit Hilfe modernster Analysen von genetischen Datensätzen zeigen, dass es in vielen Insekten ein Oxytozin- bzw. Vasopressin-ähnliches Signalsystem gibt, welches vermutlich im gesamten Tierreich funktionell verwandt zu sein scheint“, berichtet Gruber. Ziel der ForscherInnen ist es, die Zusammensetzung und Pharmakologie dieses Signalsystems generell aufzuklären.

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