Maßgeschneiderte Nanosensoren: Mit einem „Bürstenstrich“ in die Massenproduktion

Kostengünstige Bio-Nanosensoren für einmalige Verwendung denkbar

13.01.2017 - Deutschland

In hochspezialisierten Laboren ermöglichen Biosensoren bereits detaillierte Einblicke in einzelne Zellen und geben Hinweise auf Krankheiten im Frühstadium. Für Routineanwendungen ist die Herstellung solcher leistungsfähigen Sensoren jedoch noch zu aufwändig und zu teuer. Im Projekt Sense-U hat der Ulmer Juniorprofessor Steffen Strehle nun eine innovative "Bürstentechnik" optimiert, die den Weg in die Massenproduktion ebnet.

Eberhardt/Uni Ulm

Chip mit Nanodrähten auf einer Leiterplatine

Es klingt wie Zukunftsmusik: Winzigste halbleitende Nanodrähte ermöglichen als Biosensoren detaillierte Einblicke in einzelne Zellen oder spüren Krankheiten wie Krebs im Frühstadium auf. Tatsächlich werden solche hochleistungsfähige Sensoren bereits in spezialisierten Laboren eingesetzt, doch für den Alltagsgebrauch – zum Beispiel in Arztpraxen - ist ihre Herstellung schlichtweg zu aufwändig und zu teuer. Im Zuge seines durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts Sense-U hat der Ulmer Juniorprofessor Steffen Strehle eine „Bürstentechnik“ entwickelt, die die Massenproduktion präziser Nanosensoren ermöglicht. Inzwischen ist die zweite Förderphase des Erfolgsprojekts angelaufen.

Leistungsfähige Nanodrahtsensoren in die Praxis bringen – dieses Ziel verfolgt Strehle in seinem Projekt Sense-U. Dafür erforscht der Ingenieur halbleitende Nanostrukturen für Sensorsysteme. Solche Sensoren detektieren beispielsweise krankheitsspezifische Biomarker: Dazu wird ihre Oberfläche chemisch so verändert, dass nur bestimmte Moleküle daran haften und sich dann elektrisch nachweisen lassen. Zudem können auf halbleitenden Silizium-Nanodrähten basierende „Sonden“, die 1000 Mal dünner als ein menschliches Haar sind, in einzelne Zellen eingeführt werden, um zelluläre Prozesse zu erforschen. Dabei sollte das komplexe Zusammenspiel im Zellinneren möglichst nicht gestört werden. Bisher war die Herstellung solcher Sensorsysteme in großen Stückzahlen jedoch schwierig, da die genaue Position der einzelnen Nanodrähte – zum Beispiel für die elektrischen Kontakte – kaum kontrolliert werden konnte. Doch nun hat Strehle ein Verfahren weiterentwickelt, mit dem sich die winzigen Drähte „punktgenau“ und kostengünstig auf eine Oberfläche „drucken“ lassen: „Dazu ziehen wir ein Substrat mit den Nanodrähten wie eine Bürste über die zu bedruckende Oberfläche, die vorher – und das ist neu – mit einer Art ,Klebepunkte‘ versehen wurde. Wir können also genau bestimmen, wo die Drähte hängen bleiben und sie in einem Zug kontaktieren“, erklärt der Wissenschaftler.

Dank der Fängerelemente ermöglicht diese neue und durch die Oberfläche kontrollierte Drucktechnik eine hochpräzise Anordnung von Nanostrukturen. Die Ingenieure können die Dichte und Position der Drähte bestimmen und künftig sowohl das Material der Nanostrukturen als auch das der Unterlage wählen: Kompostierbare und kostengünstige Bio-Nanosensoren für die einmalige Verwendung sind also denkbar. Zudem ist die Technik beliebig skalierbar: Bisher haben die Forscher bereits 36 Silizium-Nanodrahtsensoren auf einen Chip von 2 cm2 gleichzeitig positioniert. „Mit unserer Sensortechnik bieten wir auch Lebenswissenschaftlern eine ,Plattform‘ an. Die Oberfläche können sie für spezifische Messungen chemisch funktionalisieren“, resümiert Strehle.

Das neue Verfahren ist bereits zum Patent angemeldet, und nun suchen die Wissenschaftler um den Juniorprofessor nach einem Industriepartner für die Massenproduktion. Womöglich werden die präzise gefertigten Sensoren dann eines Tages standardmäßig in der Diagnostik eingesetzt. Und auch eine Verwendung im Ulmer Graduiertenkolleg PULMOSENS, etwa zur Untersuchung von Lungengewebe auf Einzelzellebene, kann sich Ideengeber Strehle gut vorstellen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich beispielsweise in der Umweltanalytik.

Vor rund fünf Jahren hat Steffen Strehle den Wettbewerb „NanoMatFutur2011“ des BMBF gewonnen und wurde seit 2012 mit ca. 2,1 Millionen Euro unterstützt. Bei der Sensorentwicklung ist er von Chemikern, Materialwissenschaftlern, Ingenieuren und Halbleiterphysikern der Uni Ulm beraten worden. Industriepartner sind seit Projektbeginn das auf instrumentelle Analytik spezialisierte Unternehmen „Bruker Nano Surfaces“ sowie der Spezialist für Automatisierungs- und Mikrosystemtechnik „CETONI“.

Ziel der nun angelaufenen zweiten Förderphase (730.000 Euro) ist der endgültige Transfer in die Praxis: Strehle wird in den kommenden zwei Jahren also die von ihm entwickelte Nanodraht-Drucktechnik optimieren sowie womöglich positionierbare Nanosonden in die Anwendung bringen.

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