Alzheimer-Forscher geben nach Rückschlag nicht auf

16.12.2016 - USA

(dpa-AFX) In der Pharmaforschung gilt die Alzheimersche Krankheit als "Heiliger Gral". Kein Medikament wurde bisher gefunden, um die Demenzkrankheit aufzuhalten oder wenigstens zu bremsen. Die bisherigen Mittel lindern die Symptome. Allein hierzulande leiden laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft an die 1,6 Millionen Menschen an Demenz, zwei Drittel davon haben Alzheimer. Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft steigt die Zahl der Erkrankten. Eine Reihe von Ansätzen scheiterte, Pharmariesen wie Pfizer mussten Rückschläge hinnehmen. Seit 2007 kam kein neues Alzheimer-Medikament auf den Markt. Jüngst ist erneut eine Hoffnung des Pharma-Konzerns Eli Lilly endgültig gescheitert. Doch die Branche forscht weiter. Es gibt neue Ansätze, zum Teil mit ersten Erfolgen.

Die Nachricht von Eli Lilly sorgte bei Forschern, und Betroffenen für Enttäuschung, die Aktie des US-Pharma-Unternehmens setzte sie unter Druck. Der Medikamentenkandidat Solanezumab scheiterte in einer fortgeschrittenen Studie mit über 2100 Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz. Tests hatten gezeigt, dass der Gedächtnisabbau nicht langsamer verlief als ohne das Mittel. Dabei hatten Wissenschaftler schon gehofft, das Medikament könne 2017 oder 2018 auf den Markt kommen.

Auf einen Zulassungsantrag für das Mittel will Eli Lilly nun verzichten, andere Studien mit dem Wirkstoff lässt das Unternehmen auslaufen. Die Entscheidung kostet das Unternehmen 150 Millionen Dollar und drückt die Prognose für den Gewinn je Aktie im laufenden Jahr, wie es am Donnerstag mitteilte. Generell soll die Alzheimer-Forschung aber weitergehen. Seit fast 30 Jahren beschäftigt sich Lilly mit der Krankheit und hat noch andere Wirkstoffe in der Erprobung.

Das Unternehmen steht nicht allein. Mehrere Pharmaunternehmen haben Medikamente in der weit fortgeschrittenen Erprobung. Zum Teil fußen sie auf ähnlichen Ansätzen wie der gescheiterte Lilly-Kandidat. "Die meisten anderen forschenden Unternehmen gehen von dem gleichen Grundansatz aus, der sich auf das Eiweißmolekül Amyloid bezieht. Von daher liegt die Vermutung nahe, dass auch sie mit ihren Studien scheitern könnten", sagt der Pharma-Analyst Bernhard Weininger vom Aktienanalysehaus Independent Research. "Andererseits betonen andere Hersteller, dass ihre Forschungen spezifischer sind als der Lilly-Ansatz. Und es kann sein, dass kleine Veränderungen den Ausschlag geben." Weininger stuft die Alzheimer-Forschung generell als sehr risikoreich ein. "Gleichzeitig bietet dieser Markt ein Riesenpotenzial."

Das Umsatzpotenzial liegt nach Einschätzung von Experten bei Alzheimer im zweistelligen Milliardenbereich. Das kommt nicht von ungefähr: Nach Berechnungen der Organisation Alzheimers Desease International leben weltweit 46,8 Millionen Menschen mit Demenz - ein großer Teil davon mit Alzheimer. Es wird angenommen, dass diese Zahl bis 2050 auf über 131 Millionen steigt. Die Kosten von Demenz hat die Organisation für das Jahr 2015 auf 818 Milliarden US-Dollar hochgerechnet - für unbezahlte Pflege durch Angehörige, für Pflegedienste und medizinische Leistungen.

Bisher hat nach dem Lilly-Rückschlag kein Unternehmen angekündigt, seine Pläne überdenken zu wollen. Zumal es anderswo gute Nachrichten gibt: Der US-Konzern Biogen etwa konnte im Sommer hoffnungsvolle Zwischenergebnisse für seinen Antikörper Aducanumab vermelden - und das, obwohl der Ansatz dem des Lilly-Produkts ähnelt.

"2017 könnte ein wichtiges Jahr für Alzheimer werden", gibt sich Hendrik Liebers, Finanzchef des auf Alzheimer spezialisierten Biotechunternehmens Probiodrug aus Halle an der Saale optimistisch. Das Unternehmen hat ebenfalls ein Mittel in der klinischen Erprobung. Auch auf Neuigkeiten des Schweizer Pharmakonzerns Roche wartet die Branche. Wegen mangelnder Wirksamkeit stoppten die Schweizer vor zwei Jahren eine Studie. Später gab es Hinweise, dass eine höhere Dosierung des Wirkstoffes die Wirksamkeit verbessern könnte. 2017 will Roche entscheiden, ob es neue Studien wagt.

Einen anderen Medikamentenkandidaten hat das US-Unternehmen Merck & Co in der Prüfung, eine späte Studie soll im kommenden April abgeschlossen werden. Auch Novartis forscht an zwei Wirkstoffen. Generell fokussieren sich die Forscher heute auf möglichst frühe Stadien der Krankheit und sie beziehen auch Menschen in die Studien ein, die eine genetische Disposition für die Krankheit haben, bei denen sich aber noch keine Symptome zeigen. Je früher die Behandlung, umso eher ist eine Wirkung zu erhoffen, so die Annahme.

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