Nierenzellen aus dem Reagenzglas

14.11.2016 - Deutschland

Mit einem Cocktail aus nur vier Genen ist es Forschern des Universitätsklinikums Freiburg und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg gelungen, Hautzellen in Nierenzellen umzuwandeln. Diese ähnelten natürlichen Nierentubuluszellen in Aussehen und Funktion. Der neue Ansatz soll helfen, Nierenkrankheiten effizienter zu erforschen und zu behandeln. Das bereits patentierte Verfahren könnte eine Alternative für aufwändige Ansätze sein und den Einsatz von Versuchstieren reduzieren. Denn an so erzeugten Zellen könnte die Nierenverträglichkeit neuer Wirkstoffe getestet werden.

Forschergruppen weltweit haben bereits aus embryonalen oder induzierten Stammzellen nierenähnliche Zellen entwickelt. Dabei wird versucht, durch Wachstumsfaktoren oder Chemikalien die natürliche Entwicklung von Nieren nachzuahmen. Diese Methoden sind aber nicht nur äußerst komplex und zeitaufwendig, sondern werfen auch ethische Fragen im Hinblick auf die Verwendung embryonaler Zellen auf. Einen alternativen Ansatz stellt die sogenannte direkte Reprogrammierung dar. Hier werden wichtige Steuerungs-Gene in eine bereits entwickelte Zelle eingeschleust, um auf diese Weise ihr Schicksal umzukehren und in einen anderen Zelltyp umzuwandeln. Dass eine solche Reprogrammierung möglich ist, konnte unter anderem für Nerven- oder Herzmuskelzellen gezeigt werden.

Wissenschaftlern um Dr. Soeren Lienkamp, Emmy Noether-Forschungsgruppenleiter an der Klinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Allgemeinmedizin) des Universitätsklinikums Freiburg, und Dr. Sebastian Arnold, Emmy Noether-Forschungsgruppenleiter am Institut für Pharmakologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, ist es nun gelungen, vier Gene zu identifizieren, die Bindegewebszellen der Haut, sogenannte Fibroblasten, in nierenähnliche Zellen (iRECs) umwandeln können. Diese vier Gene brachten die Forscher im Labor mit Hilfe speziell erzeugter Viren in Hautzellen ein, wodurch sich diese zu Nierenzellen entwickelten.

„Auch wenn unsere neu gezüchteten Zellen noch nicht identisch mit ihren natürlichen Verwandten sind, teilen sie erstaunlich viele Eigenschaften mit ihnen“ sagt Dr. Lienkamp. So sind beispielsweise viele Gene aktiv, die auch in echten Nierentubuluszellen angeschaltet sind. Außerdem wachsen und verhalten sich iRECs ähnlich wie Zellen, die direkt aus Nieren gewonnen werden. Sie reagieren ebenso empfindlich auf einige nierenschädliche Medikamente wie ihre natürlichen Vorbilder. „Darüber hinaus können aus den reprogrammierten Zellen wertvolle Rückschlüsse gezogen werden, wie Nierenzellen normalerweise im Körper gebildet werden“, sagt der Entwicklungsbiologe Dr. Arnold.

Fernziel: Umwandlung von Hautzellen nierenkranker Patienten

„Die Herausforderung liegt nun darin, die Eigenschaften dieser Zellen so zu nutzen, dass wir Krankheitsprozesse besser verstehen“, sagt Dr. Michael Kaminski, Erstautor der Studie und Arzt an der Klinik für Innere Medizin IV des Universitätsklinikums Freiburg. Außerdem will die Forschergruppe die Effizienz und Qualität der Reprogrammierung verbessern, um sobald wie möglich Hautzellen von nierenerkrankten Patienten in Nierenzellen umzuwandeln. Bis eine solche Zell-Umprogrammierung im Menschen selbst, zum Beispiel bei bindegewebig vernarbten Nieren, Anwendung findet, ist es allerding ein langer Weg. Die Einschleusung der Gene mittels Viren ist nicht risikofrei und außerdem ist es eine große Herausforderung, die Niere mit derartigen Viren zu erreichen.

„Ich bin überzeugt, dass die Möglichkeit, Nierenzellen zukünftig aus der Haut von Patienten gewinnen zu können, neue Ansätze in der Erforschung genetischer Nierenerkrankungen bieten kann“, sagt Prof. Dr. Gerd Walz, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin IV des Universitätsklinikums Freiburg.

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