Neue Erkenntnisse zu latenten HIV-Infektionen

27.09.2016 - Österreich

Trotz immer effektiverer Therapien schafft es HIV im Körper zu überdauern. Welche molekularen Vorgänge dazu beitragen, wurde in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF geklärt. Auch Ansätze für mögliche Therapien gegen die verborgene Reservoir-Bildung des Virus wurden dabei gefunden.

HIV-Infektionen sind dank moderner Therapien kontrollierbar geworden – heilen können diese Behandlungen aber nicht. Tatsächlich schaffen es anti-retrovirale Therapien, die Anzahl an HI-Viren im Blut Betroffener so gering zu halten, dass der Ausbruch von AIDS verhindert wird. Doch vollständig kann das Virus nicht entfernt werden. – Denn es ist ein Meister des Versteckens.

Zellversteck

Ein bekanntes Versteck des Virus sind spezielle, Makrophagen genannte Immunzellen. In diesen kann das Virus – unerreichbar für Medikamente – überdauern. Wie es dabei die Zellen auch noch so manipuliert, dass diese stress-resistenter und damit langlebiger werden, hat ein Team um Regina Grillari vom Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien herausgefunden. Das Hauptaugenmerk des Projekts lag dabei auf dem Enzym Telomerase, das bei der Zellteilung aktiv ist und Verkürzungen an Chromosomen verhindert. Über seine Aktivität in Zellen, die sich nicht teilen, wie Makrophagen, ist bisher wenig bekannt gewesen. Umso mehr erstaunten die Ergebnisse von Grillari, wie diese erläutert: „Wir konnten zeigen, dass das HI-Virus die Aktivität der Telomerase in Makrophagen initiiert. Das überraschte insofern, als die bekannte Funktion des Enzyms ja im Zusammenhang mit der Zellteilung steht, die in diesem Fall aber gar nicht erfolgt.“

Ohne Funktion?

Ein weiteres Ergebnis zeigte, dass die Telomerase in Makrophagen ihrer eigentlichen Funktion – Chromosomen zu verlängern – trotz Aktivierung durch das HI-Virus gar nicht nachgeht. Ein anderes Experiment lieferte dann aber klare Hinweise auf die Rolle, die die Telomerase in infizierten Zellen in diesem Falle spielt. Dazu wurden die Reaktionen von infizierten und nicht infizierten Makrophagen auf sogenannten oxidativen Stress hin untersucht, der auch durch HIV-Infektionen verstärkt wird. Dabei zeigte sich, dass infizierte Zellen diesen Stress viel besser verkraften als nicht infizierte – und, dass dies im Zusammenhang mit der Aktivierung der Telomerase steht.

Dazu Grillari: „Es scheint so zu sein, dass die versteckten Viren durch die Aktivierung der Telomerase ihre Wirtszellen stressresistenter machen und damit ihr eigenes Überleben langfristig sichern. Eine aus Sicht der Viren sinnvolle Strategie.“

„Elite“-Forschung

In einem anderen Teil des Projekts wurden sogenannte „Elite“-Patientinnen und -Patienten untersucht. Diese sind zwar mit dem HI-Virus infiziert, doch schafft es ihr Körper, die Virusvermehrung so stark einzuschränken, dass sie ohne Therapie jahrelang symptomfrei leben können. Wie das passiert ist nicht bekannt, doch gibt es Hinweise, dass spezielle RNAs (miRNAs) dabei eine Rolle spielen. Grillari und ihr Team analysierten nun, ob es Unterschiede in den Arten und Häufigkeiten von im Blut zirkulierenden miRNAs zwischen Elite-Betroffenen, „normal“ infizierten und gesunden Personen gibt. Tatsächlich wurden drei verschiedene Typen identifiziert, die bei Elite-Betroffenen in deutlich anderer Konzentration im Plasma vorkamen als bei den weiteren Gruppen. Grillari meint dazu: „Zukünftig könnte man diese als Biomarker nutzen, um festzustellen, ob Infizierte zu den ‚Elite‘-Betroffenen zählen oder nicht, und somit eine Therapie auf ihren speziellen Status maßschneidern.“ Darüber hinaus konnte auch gezeigt werden, dass zwei der miRNAs die Vermehrung des Virus unter Laborbedingungen einschränken – und somit für neue Therapieansätze durchaus interessant sein könnten.

Insgesamt gelang es dem Team von Grillari in diesem FWF-Projekt, molekulare Mechanismen aufzuklären, die das HI-Virus nutzt, um Makrophagen resistenter zu machen und sie so zu einem idealen Virus-Reservoir umzuprogrammieren. Gleichzeitig konnten Ansatzpunkte gefunden werden, um diese Reservoir-Bildung eventuell mit miRNAs zu bekämpfen.

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