Bakterien liefern Munition an ihre Verbündeten

12.09.2016 - Schweiz

Bakterien bekämpfen ihre Feinde mit molekularen Harpunen, dem sogenannten Typ-VI-Sekretionssystem. Beim Abfeuern dieser Waffe treffen sie auch ihre verwandten Artgenossen. Wie Forscher vom Biozentrum der Universität Basel nun im Fachjournal «Cell» berichtet, profitieren diese allerdings von dem Beschuss. Sie recyceln die Proteinbestandteile der Harpune und bauen sich daraus eigene Munition.

University of Basel, Biozentrum

Vibrio cholerae-Bakterien (grün) recyceln T6SS-Proteine angreifender Artgenossen (rot) zum Bau eigener Harpunen (hellgrüne Struktur in der Zelle).

Eine Vielzahl von Bakterien besitzen molekulare Harpunen, die sie auf Widersacher und Konkurrenten abfeuern und sie so ausser Gefecht setzen. Denn die Spitze der auch als Typ-VI-Sekretionssystem (T6SS) bezeichneten Nano-Harpune ist mit Molekülen bestückt, die für die Gegner giftig sind und dafür sorgen, dass diese sterben. Manchmal geraten aber auch die eigenen Verwandten unter Beschuss.

Das Team von Prof. Marek Basler, Infektionsbiologe am Biozentrum der Universität Basel, konnte nun erstmals zeigen, dass diese anders als ihre Gegner jedoch davon profitieren, da sie nach der T6SS-Injektion bestimmte Proteine für den Bau eigener Harpunen wiederverwenden. So helfen sich die Artgenossen gegenseitig, ihr Waffenarsenal zu vergrössern und Feinde zu bekämpfen.

Bakterien harpunieren ihre Gegner – und ihre Artgenossen

Das T6SS ist in der äusseren Membran von Bakterien fest verankert. Der winzige, mit einer Spitze versehene Speer ist von einer flexiblen Hülle umgeben. «Wenn Bakterien ihre Harpune abfeuern, zieht sich die Hülle innert weniger Millisekunden zusammen und stösst so den Speer in Bakterien, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinden», erklärt Basler den Mechanismus. «Die Angreifer recyceln anschliessend die restlichen in der Zelle verbliebenen Proteine der Harpune.» Bei diesem Manöver treffen die Bakterien auch verwandte Artgenossen, die es den Angreifern gleich tun: Sie zerlegen die Harpune in ihre Proteinbestandteile und bauen sich daraus eigene Harpunen.

Recycling ist alles: Bakterien liefern Munition auch an unbewaffnete Verbündete

Dass eng verwandte Bakterien ihre Proteine durch diesen Harpunen-Beschuss austauschen und die Bestandteile wiederverwenden, konnten die Forscher nun erstmalig beim Erreger der Cholera, Vibrio cholerae, nachweisen. Dazu haben sie T6SS-defekte Bakterien, denen die Proteine für den Bau des Speers fehlten, mit normalen T6SS-produzierenden Vibrio-Bakterien zusammengebracht. «Das Besondere an Vibrio cholerae ist, dass es die Harpunen ununterbrochen herstellt und sie ziellos abfeuert», erklärt Andrea Vettiger, Erstautor der Studie. «Wird dabei zufällig einer der T6SS-defekten Artgenossen getroffen, so zerlegt dieser den Speer in seine einzelnen Bestandteile – also die Proteine des Speers und der Spitze – und verwendet diese dann zum Bau eigener funktionstüchtiger Harpunen.

Auch die mit der Speerspitze übertragenen Toxine werden durch die attackierte Zelle recycelt. Selbst Bakterien, die überhaupt keine Proteine mehr bilden, können sich mithilfe der Munitionslieferung durch ihre benachbarten Artgenossen wieder ein T6SS zusammenbauen.»

Bakterien kämpfen gemeinsam gegen Feinde

Wie die Forscher zudem feststellten, kooperieren verwandte Bakterien auch sonst miteinander und verbünden sich bei der Abwehr lästiger Konkurrenten. So können zwei Vibrio-Bakterien gemeinsam einen dritten Konkurrenten abtöten, auch wenn ihnen einzelne T6SS-Bauteile oder die Toxine für die Pfeilspitze fehlen. Sie spannen zusammen und bauen gemeinsam ihre Waffen. «Auch wenn wir das Verhalten der Bakterien nur unter Laborbedingungen beobachtet haben, sind wir davon überzeugt, dass diese Form der Kooperation auch in der Natur eine wichtige Rolle spielt und manchen Bakteriengemeinschaften dadurch einen Überlebensvorteil verschafft», so Basler.

Originalveröffentlichung

Andrea Vettiger and Marek Basler; "Type VI secretion system substrates are transferred and reused among sister cells"; Cell; 2016

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