Mit Botox Borderline-Störungen behandeln

Botulinumtoxin könnte Borderline-Patienten helfen

05.09.2016 - Deutschland

Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll haben herausgefunden, dass Botulinumtoxin Menschen hilft, die an der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typs leiden. „Botox könnte das bisher einzige zugelassene Medikament gegen Persönlichkeitsstörungen werden. Es hat zudem den Vorteil, dass seine Wirkung monatelang anhält“, sagt Professor Dr. Tillmann Krüger von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der MHH. Er und Privatdozent Dr. Marc Axel Wollmer, Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll, publizierten dazu erste Ergebnisse im Fachmagazin „American Journal of Psychiatry“. Die Forscher führen nun eine umfassendere Studie durch, für die sie Borderline-Patientinnen suchen, da mehr als 62 Prozent der Betroffenen Frauen sind. Dass das unter dem Handelsnamen Botox bekannte Botulinumtoxin seelische Erkrankungen positiv beeinflussen kann, hatten die beiden Psychiater bereits vor einigen Jahren bewiesen: Sie fanden heraus, dass es Depressionen schnell, deutlich und anhaltend lindern kann.

MHH/Kaiser

Botulinumtoxin wird in die Stirn gespritzt.

Menschen mit der Borderline-Erkrankung haben extreme Stimmungsschwankungen und leiden an ausgeprägten negativen Emotionen. Sie sind sehr impulsiv und führen instabile zwischenmenschliche Beziehungen. Oft stehen sie unter hochgradiger innerer Anspannung, aufgrund derer sie sich häufig als Gegenimpuls körperliche Schmerzen oder Verletzungen zufügen. Viele von ihnen haben in ihrer Kindheit und Jugend schwere, zum Teil traumatische, Erlebnisse gehabt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen etwa fünf Prozent der Bevölkerung oder zwischen 2,4 und vier Millionen Menschen an dieser Erkrankung. Um die 70 Prozent der Patienten können heute erfolgreich behandelt werden – wenn sie sich auf eine umfassende Psychotherapie einlassen.

Gesichtsausdruck und seelische Gesundheit beeinflussen sich gegenseitig

Die Wissenschaftler haben sechs Borderline-Patientinnen, deren Krankheitssymptome sich zuvor durch Psychotherapie, Antidepressiva und Antipsychotika nicht gebessert hatten, einmalig Botox in die mittlere untere Stirn gespritzt – mit Erfolg: Die Krankheitssymptome reduzierten sich deutlich. Impulsivität, Stimmungsschwankungen und Niedergestimmtheit nahmen ab und ihr Sozialverhalten verbesserte sich. „Botox dämpft negative Emotionen und wirkt dadurch stabilisierend“, erläutert Professor Krüger. Es lähmt die Muskeln zwischen den Augenbrauen. In diesem Bereich drücken wir negative Stimmungen wie Sorgen und Ängste aus, was an den sogenannten Zornesfalten sichtbar wird. Botox verhindert, dass diese negativen Emotionen ausgedrückt werden können. „Das führt dazu, dass sich die Intensität dieser Emotionen reduziert, denn der Gesichtsausdruck und das psychische Befinden sind eng verbunden: Mimik drückt Gefühle aus, wirkt aber gemäß der sogenannten Facial-Feedback-Hypothese auch auf unsere Stimmung zurück“, erläutert PD Dr. Wollmer.

„Botulinumtoxin hat, in niedriger Dosierung örtlich gespritzt, kaum Nebenwirkungen“, versichert Professor Krüger. Es funktioniere auch bei jüngeren Personen ohne Gesichtsfalten. Die Forscher sind überzeugt, dass sich die Erfolge auch auf andere Persönlichkeits- und Impulskontrollstörungen übertragen lassen. Um ihre ersten Ergebnisse wissenschaftlich zu überprüfen, haben sie nun die klinische Studie initiiert.

Studie läuft an

Für diese Studie suchen die Forscher Frauen mit der Borderline-Störung, die zwischen 18 und 40 Jahre alt sind und derzeit keine spezifische Psychotherapie wie zum Beispiel die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) erhalten. Die Studie wird über einen Zeitraum von zwölf Wochen durchgeführt. In der Vergleichsgruppe erfolgt eine Behandlung mit Akupunktur, die ebenfalls im Bereich des Kopfes durchgeführt wird. Neben der Behandlung und der Erfassung der klinischen Veränderungen wird zudem zu zwei Zeitpunkten eine Kernspintomografie des Kopfes durchgeführt, die Rückschlüsse zur Verarbeitung von emotionalen Reizen im Gehirn zulässt. Die Kernspintomografie ist ein Verfahren, das ohne Strahlenbelastung auskommt.

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