Bekämpfung gefährlicher Bakterien ohne Antibiotika
© Foto: Rolf Müller/UKB-UKom
Pro Jahr sterben in Europa rund 170.000 Menschen an den Komplikationen einer Leberzirrhose. Häufige Ursachen der weit verbreiteten Erkrankung sind Alkoholmissbrauch, Fettleberhepatitis und chronische Virushepatitis. Leberzirrhosen entwickeln sich schleichend im Lauf von Jahren und Jahrzehnten. Dabei gehen Leberzellen zugrunde, die durch Bindegewebe ersetzt werden und damit die Durchblutung der Leber beeinträchtigen. Dies führt zu einem erhöhten Druck in den Blutgefäßen des Darms und damit zu einem Auswandern von Darmbakterien, die somit über das Blut die Leber erreichen.
„Rund ein Drittel der Leberzirrhose-Todesfälle ist auf bakterielle Infektionen zurückzuführen“, sagt Prof. Dr. Jonel Trebicka von der Medizinischen Klinik des Uniklinikums Bonn, der an der Studie beteiligt ist und seit vielen Jahren über die Leberzirrhose forscht. Schon länger ist bekannt, dass bei Patienten mit Leberzirrhose das Immunsystem geschädigt ist. Über die Ursachen rätselte die Wissenschaft. Ein Forscherteam um Dr. Zeinab Abdullah vom Institut für Experimentelle Immunologie des Universitätsklinikums Bonn und Prof. Dr. Percy Knolle vom Institut für Molekulare Immunologie der Technischen Universität München hat nun mit Kollegen aus der Inneren Medizin, vom LIMES-Institut der Universität Bonn und von der Uniklinik der RWTH Aachen herausgefunden, welche Prozesse hinter dem Niedergang des Immunsystems stecken.
Zusammenbruch der Abwehrfunktion der Makrophagen
An Mäusen, die an einer Leberzirrhose litten, haben die Forscher beobachtet, dass für die Infektabwehr zuständige Immunzellen, nämlich Makrophagen und Monozyten in der Leber, in Antwort auf unschädliche Darmbakterien anhaltend Typ-1-Interferon produzierten. Wurden diese Immunzellen dann von einer geringen Zahl von krankmachenden Listerien infiziert, wurde die Typ-1-Interferon-Produktion massiv angekurbelt. In der Folge kam es zur Ausschüttung von immunregulierendem Interleukin-10, was zum Zusammenbruch der Abwehrfunktion der Makrophagen gegen bakterielle Infektionen und damit zum tödlichen Ausgang von Infektionen führte.
Die Forscher führten die Untersuchungen zusätzlich an menschlichem Monozyten aus dem Blut von Zirrhosepatienten durch. „Nach einer Infektion mit Pathogenen fanden wir in den Monozyten von Zirrhosepatienten ebenfalls deutlich erhöhte Werte für Typ-1-Interferon und Interleukin-10“, fasst Dr. Zeinab Abdullah, Forschungsgruppenleiterin am Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Bonn, die Resultate zusammen. „Unsere Ergebnisse identifizieren die Schwachstelle des Immunsystems, die für das Versagen der Immunantwort gegen bakterielle Infektionen verantwortlich ist.“
Ansatzpunkte für neuartige Diagnosen und Therapien
In weiteren Experimenten ergaben sich Ansatzpunkte für neuartige Therapien: Mäuse, die gar kein Typ-1-Interferon bilden konnten, waren gegen die Infektionen mit Darmbakterien geschützt, weil das Immunsystem nicht übersteuerte. „Das Bahnbrechende daran ist, dass man eine lebensgefährliche bakterielle Infektion ohne Antibiotika alleine durch Verstärkung der Immunantwort erreichen kann“, sagt Prof. Dr. Percy Knolle von der TU München. Darin sehen die Forscher einen wichtigen Anwendungsbezug. „Wenn die Bildung von Typ-1-Interferon in den Leberzellen mit geeigneten Substanzen blockiert wird, könnte das aus dem Ruder laufende Immunsystem absehbar stabilisiert werden“, ergänzt Prof. Knolle. Doch diesen viel versprechenden Ansatz müssen erst noch klinische Studien erweisen.