Ein „Chamäleon“ im Magen

Wissenschaftler haben schnelle Anpassungsfähigkeit des Magenkrebserregers Helicobacter pylori ergründet

08.07.2016 - Deutschland

Das Magenkrebs auslösende Bakterium Helicobacter pylori kann sich so genau an den Menschen anpassen, dass es so individuell wird wie ein menschlicher Fingerabdruck: Wie kein anderes Bakterium variiert es dazu im Laufe der Infektion seine Gene.

MHH/Kaiser

Professor Dr. Sebastian Suerbaum mit der Doktorandin Iratxe Estibariz und dem Postdoc Dr. Florent Ailloud, die an dem Nachfolgeprojekt der jetzt publizierten Studie arbeiten.

Nun haben Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in Zusammenarbeit mit dem Statistikexperten Dr. Xavier Didelot vom Imperial College in London den Grund für diese große Variabilität herausgefunden: Bereits bekannt war, dass zwei verschiedene Helicobacter pylori-Bakterien DNA-Fragmente austauschen, wenn sie im Magen aufeinandertreffen. Nun zeigte sich, dass die große Individualität dadurch zustande kommt, dass es zwei Aufnahmemechanismen gibt, die zur Integration von Fragmenten unterschiedlicher Längen führen: „Die Aufnahme ganz kurzer Genschnipsel, die weniger als 50 Basenpaare lang sind, ermöglicht den Bakterien eine extrem hohe Variabilität innerhalb der Gene. Die Aufnahme längerer, im Durchschnitt 1.600 Basenpaare umfassende, DNA-Stücke sorgt für Konstanz und die Möglichkeit, ganze Gene auszutauschen. Der Effekt des Erbgut-Austausches ähnelt sogar dem, der bei sexuell reproduzierenden Organismen stattfindet“, erläutert Professor Dr. Sebastian Suerbaum. Der Leiter des MHH-Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene möchte mit seinem Team nun den zugrundeliegenden molekularen Mechanismen auf die Spur kommen. Einen Mechanismus konnte er bereits klären: Helicobacter pylori besitzt viele sogenannte Restriktionsenzyme, die eindringende fremde DNA zerschneiden. Doch die aufgenommenen Stücke von DNA anderer Helicobacter pylori-Bakterien werden unabhängig von diesen Enzymen in das Erbgut integriert.

Die große genetische Variabilität von Helicobacter pylori wird auch als eine wichtige Hürde für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen diesen Erreger angesehen. Das ist eine wichtige Motivation für die Forscher, deren Arbeiten im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und des Sonderforschungsbereichs (SFB) 900 gefördert werden.

Etwa 40 Prozent der Deutschen sind chronisch mit Helicobacter pylori infiziert. Es kann unter anderem Magengeschwüre verursachen und ist für den größten Teil der Magenkrebserkrankungen verantwortlich. Jüngst konnte nachgewiesen werden, dass Patienten mit einer Helicobacter pylori-Infektion, die behandelt werden, weniger häufig Magenkrebs bekommen als unbehandelte Patienten. Deswegen sind die Empfehlungen für die Behandlung des Magenkrebserregers deutlich ausgeweitet worden.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Weitere News von unseren anderen Portalen

Revolutioniert künstliche Intelligenz die Life Sciences?

Zuletzt betrachtete Inhalte

Stammzelltransplantation nach Chemotherapie verbessert Prognose - Studie zu T-Zell-Lymphom

Ersatzgewebe aus der Retorte - Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB erhält Herstellungserlaubnis für Knorpelzellen

Neue Quelle für die Bildung von Nervenzellen im Gehirn entdeckt

Neue Quelle für die Bildung von Nervenzellen im Gehirn entdeckt

Schlüsselmechanismen für die Regeneration von Nervenzellen identifiziert - Wie Gliazellen mithilfe epigenetischer Modifikationen zu Neuronen umprogrammiert werden können

Schlüsselmechanismen für die Regeneration von Nervenzellen identifiziert - Wie Gliazellen mithilfe epigenetischer Modifikationen zu Neuronen umprogrammiert werden können

Beträchtlicher Schaden durch Wurminfektionen bei Menschen

Beträchtlicher Schaden durch Wurminfektionen bei Menschen

Darmkrebs: Aspirin aktiviert schützende Gene - Forschende haben einen Signalweg identifiziert, über den Aspirin Darmkrebs hemmen kann

Darmkrebs: Aspirin aktiviert schützende Gene - Forschende haben einen Signalweg identifiziert, über den Aspirin Darmkrebs hemmen kann

Alternative zum Tierversuch: Neues Verfahren verbessert Medikamenten-Tests an humanen Stammzellen - 3D-Zellkultursystem liefert präzisere Aussagen über Wirkung auf menschlichen Organismus

Mit magnetischen Bakterien Tumore bekämpfen - Forschende der ETH Zürich möchten magnetische Bakterien zur Bekämpfung von Krebsgeschwüren nutzen

Mit magnetischen Bakterien Tumore bekämpfen - Forschende der ETH Zürich möchten magnetische Bakterien zur Bekämpfung von Krebsgeschwüren nutzen

WACKER stärkt sein Biopharmageschäft und kauft Plasmid-DNA-Hersteller Genopis in den USA - Erweiterung des Portfolio von WACKER als Auftragshersteller für die Pharmaindustrie

WACKER stärkt sein Biopharmageschäft und kauft Plasmid-DNA-Hersteller Genopis in den USA - Erweiterung des Portfolio von WACKER als Auftragshersteller für die Pharmaindustrie

Erfindung im Taschenformat revolutioniert Schadstofferkennung - Kostengünstiges Raman-Spektrometersystem auf Basis eines Mobiltelefons kann unbekannte biologische Moleküle innerhalb von Minuten identifizieren

Erfindung im Taschenformat revolutioniert Schadstofferkennung - Kostengünstiges Raman-Spektrometersystem auf Basis eines Mobiltelefons kann unbekannte biologische Moleküle innerhalb von Minuten identifizieren