Stabile Muster
Einmal entstandene Proteinmuster sind erstaunlich stabil
Biologische Muster sind für viele Lebensvorgänge essenziell: Während der Zellteilung etwa legt die Verteilung bestimmter Proteine in der Zelle fest, an welcher Stelle die Mutterzelle durchtrennt wird. Viele Zellen haben eine charakteristische Form, und die Zellgeometrie spielt bei der Musterbildung eine wichtige Rolle. Aber Zellen sind keine statischen Gebilde: Sie wachsen, teilen sich, und reagieren auf verschiedene Stimuli – und diese Prozesse führen oft dazu, dass die Zellgeometrie sich ändert. Wie biologische Muster auf solche dynamischen Prozesse reagieren, ist noch weitgehend unbekannt. Ein Team um den LMU-Physiker Professor Erwin Frey und Cees Dekker, Professor an der Delft University of Technology, hat nun Proteinmuster in wachsenden Zellen analysiert und konnte zeigen, dass die Muster sehr robust gegenüber äußeren Einflüssen sind: Hat sich ein bestimmtes Muster ausgebildet, bleibt es normalerweise auch dann stabil, wenn die Zellgeometrie sich verändert. „Diese Entdeckung bringt unser Verständnis dafür, wie sich dynamische Muster formieren, einen wichtigen Schritt voran und kann helfen, fundamentale Frage der Zell- und Entwicklungsbiologie zu klären“, sagt Frey.
Die Theorie zur chemischen Musterbildung geht auf den britischen Mathematiker Alan Turing zurück. Sie besagt, dass sich frei diffundierende und gleichzeitig miteinander reagierende Moleküle in bestimmter Art und Weise verteilen, sodass Muster als emergentes Phänomen entstehen. Ein solches sich selbst organisierendes Proteinmuster bildet beispielsweise das Min-System, mit dem das stäbchenförmige Bakterium Escherichia coli festlegt, an welcher Stelle die Zelle geteilt wird: Die sogenannten Min-Proteine pendeln zwischen den beiden Enden der Zelle hin und her und erzeugen dabei ein bipolares Proteinmuster, das die Teilung in der Nähe der Zellpole verhindert, aber nicht in der Mitte der Zelle. Am Beispiel dieses Min-Systems von E. coli haben Frey und seine Mitarbeiter nun mithilfe einer Kombination von experimentellen Studien und theoretischen Modellierungen analysiert, wie sich Veränderungen der Zellgeometrie von wachsenden Zellen auf das Min-Muster auswirken.
„Wie wir bereits in früheren Arbeiten zeigen konnten, bestimmt grundsätzlich die Zellgeometrie, welche Art von Muster sich bildet“, sagt Frey: „In stäbchenförmigen Zellen bilden sich Streifenmuster, in runden Zellen dagegen im Kreis laufende Wellen." Um zu untersuchen, wie sich einmal etablierte Muster unter fluktuierenden Bedingungen in wachsenden Zellen verhalten, ließen die Wissenschaftler Zellen von E.coli im Experiment mithilfe von Mikrorahmen in bestimmte unterschiedliche Formen hineinwachsen und untersuchten, welche Min-Muster sich in den Zellen bildeten und ob und wie sich diese mit dem Wachstum veränderten. Dabei fanden sie, dass es Zellen gibt, die aufgrund ihrer Größe und Form grundsätzlich mehrere Möglichkeiten haben: So kann Min entlang der Längsachse, oder auch entlang der Querachse oder diagonal zirkulieren. Aber zum Erstaunen der Wissenschaftler zeigte sich, dass einmal entstandene Muster in wachsenden Zellen sehr stabil bleiben, auch wenn die Zelle durch das Wachstum eine Form erreicht, für die auch andere Oszillationsmuster möglich sind.
„In solchen Zellen hätte man ein häufiges, chaotisches, Hin-und-her-Wechseln zwischen Mustern erwarten können, das ist aber nicht der Fall“, sagt Jacob Halatek, ein Mitarbeiter Freys und einer der Erstautoren der Studie. „Unsere theoretischen Modellierungen deuten darauf hin, dass die Änderung der Zellgeometrie allein nicht ausreicht, um Wechsel zu erzeugen. Stattdessen sind starke intrazelluläre Inhomogenitäten notwendig, wie etwa eine Änderung der räumlichen Anordnung verschiedener Lipidarten innerhalb der Zellmembran.“ In diesem Fall kann die Oszillation beispielsweise von der Quer- zur Längsachse wechseln. Aber das passiert nur selten, da ein Fortbestehen der Oszillationsachse wichtig für die korrekte Zellteilung ist.
„Die Musterbildung und die Robustheit der Muster gegenüber äußeren Einflüssen hängen eng mit den chemischen Eigenschaften der musterbildenden Systeme zusammen“, sagt Frey. „Unser theoretisches Modell könnte als Basis dienen, um die Effekte von Fluktuation und Wachstum auch in anderen musterbildenden Systemen zu untersuchen und die grundlegenden Regeln dieser komplexen biologischen Phänomene aufzudecken. Dies hätte auch große Bedeutung für unser Verständnis der Entwicklungsprozesse allgemein.“