Epithelzellen kämpfen aktiv gegen das Grippevirus

Mehr als eine mechanische Barriere

09.05.2016 - Deutschland

Jedes Jahr kommt es weltweit zu neuen Grippeepidemien, die sich in ihrem Ausmaß stark unterscheiden. Nach dem Eindringen in den Körper, vermehrt sich das Influenza-Virus in den Epithelzellen der Atemwegsoberfläche. Allerdings bleibt das Eindringen nicht unbemerkt und wird aktiv bekämpft. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg haben nun erstmals den Beitrag der, in den unteren Atemwegen vorkommenden, Typ-2 alveolaren Epithelzellen zur Immunantwort in der Lunge direkt im Gewebe mit Grippe infizierter Mäuse untersucht. Dabei beobachteten sie eine unerwartet starke und vielfältige Reaktion.

© HZI

Mit Influenza A Virus infizierte Epithelzellen der Maus. Die Zellkerne sind mit einem blauen Farbstoff angefärbt, während das Influenza A Virus Nucleoprotein in infizierten Zellen mit Hilfe von spezifischen Antikörpern rot markiert wurde.

Auch in diesem Winter mussten viele Menschen am eigenen Leib erfahren, dass eine echte Grippe mehr ist als eine ganz normale Erkältung. Obwohl die aktuelle Grippesaison noch nicht vollständig abgeklungen ist und die abschließenden Berichte noch ausstehen, weiß man, dass es dieses Jahr besonders häufig zu Grippeinfektionen mit schweren Krankheitsverläufen kam. Außergewöhnlich ist hierbei, dass es viele relativ junge Menschen betraf. Neben zusätzlichen Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten, die nicht nur die Patienten sondern auch das Gesundheitssystem belasten, verläuft die Grippe in einigen Fällen sogar tödlich.

Wird ein Virus von einem Menschen auf den nächsten übertragen, dann muss es sich in seinem neuen Wirt erfolgreich vermehren, um eine Infektion hervorzurufen. Beim Grippevirus, Influenza-A geschieht dies in den Zellen der menschlichen Atemwege und der Lunge, deren Oberfläche eine dünne und durchlässige Barriere zwischen Körperinnerem und der Umgebung ist, das sogenannte Epithel. Bei schweren Krankheitsverläufen dringt der Erreger bis in die unteren Atemwege vor und nutzt die dort vorhandenen Typ-2 alveolaren Epithelzellen zur Vermehrung.

Früher wurde die Rolle des Epithels auf eine rein mechanische Barrierefunktion reduziert. Arbeiten der vergangenen Jahre haben allerdings gezeigt, dass Epithelzellen der Atemwege und Lunge eine Vielzahl immunologisch bedeutsamer Funktionen aufweisen und eine wichtige Verbindung zum spezifischen, adaptiven Immunsystem darstellen. „Im Falle der Reaktion von Typ-2 alveolaren Epithelzellen auf das Grippevirus handelt es sich um eine besondere Situation, da es genau diese Zellen zur Vermehrung nutzt“, sagt Dr. Sabine Stegemann-Koniszewski, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Immunregulation am HZI und Erstautorin der Studie.

Allerdings wird dem Virus die Vermehrung nicht leicht gemacht, da die Epithelzellen sich aktiv gegen den Eindringling wehren. „Wir haben beobachtet, dass sie einerseits die Vermehrung des Virus hemmen und andererseits Nachbarzellen vor dessen Eindringen schützen“, sagt Prof. Dunja Bruder, Leiterin der Arbeitsgruppe am HZI und Professorin für Infektionsimmunologie am Universitätsklinikum der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. „Darüber hinaus locken sie zusätzliche Immunzellen zum Ort des Geschehens, aktivieren diese und leiten damit weitere Schritte einer effektiven Immunantwort ein.“ Außerdem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Typ-2 alveolaren Epithelzellen auf Botenstoffe reagieren, die von wiederum anderen Immunzellen als Reaktion auf das Virus ausgesendet werden.

Bisher war die Reaktion dieser Zellen auf Influenzaviren lediglich in Zellkulturen untersucht worden. „Das hat den entscheidenden Nachteil, dass man das Zusammenspiel mit anderen Zellen in der Lunge nicht sieht“, sagt Bruder. Ihr und ihren Kollegen ist es nun erstmals gelungen, die Reaktion genau dieser Epithelzellen in vivo, also im lebendigen Organismus, zu untersuchen. Dazu infizierten sie Mäuse mit dem Virus und isolierten Typ-2 alveolare Epithelzellen an drei aufeinanderfolgenden Tagen nach der Infektion. So konnten sie beobachten, wann, wie stark und womit die Zellen auf das Virus reagierten.

„Wir haben eine überraschend starke, schnelle und vielfältige Reaktion beobachtet“, sagt Dr. Andreas Jeron, zweiter Hauptautor der Studie. Die Zellen reagieren schon am ersten Tag nach der Infektion auf das Virus, indem sie verschiedene Gene, die für eine Immunreaktion wichtig sind, aktivieren und mit ihrer Umgebung aktiv kommunizieren, um das Virus zu bekämpfen.

Diese Ergebnisse unterstreichen zum einen, dass Typ-2 alveolare Epithelzellen auch während einer Infektion mit Grippeviren weitaus mehr sind, als eine mechanische Barriere. Zum anderen liefern sie wichtige Erkenntnisse rund um ihren bis jetzt unterbewerteten immunologischen Beitrag zur Virusbekämpfung. „Je besser wir verstehen, wie vor allem die sehr frühe Antwort auf das Virus im Körper abläuft, desto besser können wir intervenieren und ihm dabei helfen, eine Grippeinfektion schnell und effektiv zu bekämpfen“, sagt Bruder.

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