Von der Miesmuschel gelernt: Wie Knochenimplantate schneller im Körper andocken
inspiri, pixabay.com, CC0
Es gilt seit zwei Jahrzehnten als eines der besten Materialien für künstliche Hüften, Zahnimplantate, Schienbeine und Unterarmknochen: Titan. Weil es besonders korrosionsbeständig und verträglich ist, wird es für mehr als 95 Prozent aller Knochenimplantate eingesetzt. Das Problem bei dem metallenen Knochenersatz ist jedoch häufig, dass er nur schwer in die zu füllende Lücke im Körper einwächst und stattdessen abgestoßen wird. Denn die Zellen des Knochens, an den das Implantat anknüpfen soll, heften sich nur schwer an dessen Metalloberfläche.
Biochemiker der Universität Leipzig haben nun jedoch eine Entdeckung gemacht, die dieses Problem bald Geschichte lassen sein könnte: Sie haben aus Peptiden eine neuartige Beschichtung entwickelt, die das Anwachsen von Knochenzellen an Titanoberflächen und damit an Implantate wesentlich verbessern könnte. Die Inspiration dazu kam ihnen dabei aus der Natur.
"Wie macht das eigentlich die Miesmuschel, wenn sie im Hafen an den Rumpf unzähliger Schiffe andockt", fragte sich vor fast vier Jahren, die Arbeitsgruppe für Bioorganische Chemie an der Universität Leipzig. Was in der Schifffahrt als hochgradig lästig empfunden wird und ganze Schiffsrümpfe zerstört, brachte die Biochemiker dazu, den Klebstoff zu untersuchen, der die Muschel haften lässt. "Aus dem Protein, das die Muschel bildet um sich anzuheften, haben wir dann den Teil identifizieren können, der für die Klebeeigenschaften verantwortlich ist. Diese Peptide haben wir nachgebaut und nach unseren Bedürfnissen verändert", erklärt Annette Beck-Sickinger, Professorin für Biochemie und Leiterin der Studie.
Sie und ihr Team haben daraus eine Art Klebstoff, eine Bindungsstruktur, entwickelt, die auf die Oberfläche des Titanimplantats aufgebracht wird, so wie sich die Muschel an dem Schiffsrumpf festhält. "Durch Hinzufügen zweier "Zellklebstoffe", die von Proteinen des menschlichen Körpers abgeleitet wurden, können sich die Knochenzellen damit an die künstlichen Körperteile heften", erläutert Mareen Pagel, die durch ihre Doktorarbeit wesentlich zu dieser Methode beigetragen hat.
"Aktuell testen wir diese Methode im Tiermodell. Sind diese Studien erfolgreich, so könnte sie in einigen Jahren auch in der Praxis eingesetzt werden", so Beck-Sickinger. Mühevolle Heilungsprozesse, in denen gefährliche Entzündungen entstehen können, würden dann deutlich verbessert und beschleunigt.
Originalveröffentlichung
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Life-Science-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für Biotechnologie, Pharma und Life Sciences bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.