Der Pharma-Dialog zwischen Forschungsinteresse und «Mondpreisen»
(dpa) Ein Arzneimittel ist kein Produkt wie jedes andere. Das scheint eine Binsenweisheit. Doch der Satz wirft ein Schlaglicht auf die ganze Pharmabranche. Arzneimittelhersteller retten mit ihren Produkten täglich Menschenleben. Trotzdem schaffen sie es nicht, ihr Negativ-Image abzustreifen. Der Pharma-Dialog zwischen Politik, Herstellern, Wissenschaft und Gewerkschaft sollte hier eine Besserung bringen. Doch der Interessenkonflikt zwischen dem Solidarsystem Krankenversicherung und der profitorientierten Pharma-Industrie ist nie ganz aufzulösen.
Wie hat sich die Pharma-Industrie entwickelt?
Die Pharma-Lobby, eine der mächtigsten in Berlin, klagt immer wieder, dass jüngste Gesetzesinitiativen das Geschäft trübten, vor allem die noch von der FDP durchgesetzte Arzneimittelmarktreform (AMNOG) von 2011. Doch so schlimm kann es nicht sein. Laut Statistik stieg der Umsatz der Arzneimittelhersteller in Deutschland von 2008 bis 2015 von 38,8 Milliarden auf 46,4 Milliarden Euro, ein Plus von rund 20 Prozent. Immerhin fließt jeder siebte Euro des Pharma-Umsatzes in Forschung und Entwicklung - so viel wie in keiner anderen Branche. Die Pharma-Industrie ist eine Marktmacht.
Wie reagiert die Politik darauf?
Der Missbrauch von Marktmacht durch einzelne Unternehmen zulasten der Versicherten sei nicht hinnehmbar, warnte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gleich zu Beginn des Pharma-Dialogs vor anderthalb Jahren. Auch die Industrie müsse ein Interesse daran haben, dass das staatliche Gesundheitssystem nicht aus dem Gleichgewicht gerate. Nach Skandalen und zuletzt horrend hohen Preisen für Medikamente wie das Hepatitis-C-Präparat Sovaldi sitzt das Misstrauen auf allen Seiten des Systems tief. In den vergangenen Jahren blieb es verhältnismäßig ruhig, weil die Krankenversicherung aus vollen Kassen schöpfen konnte. Das wird sich in den nächsten Jahren wohl ändern.
Welche Interessen hat der Staat?
Der Staat will seinen Bürgern im Krankheitsfall die bestmögliche medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Dafür gibt es ein solidarisches Versicherungssystem. Dies geht einher mit dem Interesse der Politik, eine Pharma-Spitzenforschung am Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland zu halten. Denn nur so ist eine gute Arzneimittelversorgung gewährleistet.
Welche Interessen hat die Pharma-Industrie?
Pharma-Unternehmen und Aktionäre agieren in einem beinharten internationalen Wettbewerb nach rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sie wollen mit ihren Produkten maximalen Profit erzielen. Dieses Einzelinteresse ist sicherlich legitim. Bei Autos, Schuhen oder Kosmetikartikeln wird es ohne weiteres akzeptiert.
Weshalb hat dann die Pharma-Industrie ein Imageproblem?
Wenn das Geld aus einem begrenzten Solidartopf der Versicherten kommt, wird maximale Profitorientierung eines Teilnehmers im System schnell anrüchig. In diesem Gemisch aus staatlichen und ökonomischen Interessen bildet sich leicht ein Nährboden für Korruption.
Was bezweckt die Politik mit dem Pharma-Dialog?
Der Pharma-Dialog sollte wohl auch dem Ausgleich dieser Interessenskonflikte dienen und das Image des deutschen Industriezweiges etwas aufpolieren. Man darf gespannt sein, wie klar und deutlich die «Vereinbarungen» zwischen Politik und Branche ausfallen werden. Jedenfalls wurde bis zuletzt darüber gestritten.
Was erwarten die Krankenkassen?
Für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) stellt sich die Frage, ob die Arzneimittelmarktregulierung AMNOG nach gut fünf Jahren nachgeschärft wird. Denn sie hat bisher nicht die erhofften Einsparungen gebracht. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte der dpa: «Ich hoffe sehr, dass der Pharmadialog im Interesse der guten Patientenversorgung und zur Vermeidung von Mondpreisen Impulse setzt, die der Gesetzgeber auch aufgreifen wird.»
Was wird gegen Korruption im Gesundheitswesen getan?
Derzeit steht ein Gesetz vor der Verabschiedung, das die Korruption im Gesundheitswesen unterbinden soll. Es zielt vor allem auf die Zusammenarbeit von Ärzten und Pharmaindustrie. Denn die Ärzte entscheiden mit ihrem Verschreibungsblock darüber, wie viel Geschäft die Pharmaunternehmen machen können. Bestraft wird - in besonders schweren Fällen mit bis zu fünf Jahren - nicht mehr nur, wer sich bestechen lässt, sondern auch, wer besticht.