Forscher entschlüsseln wichtiges Signalmolekül der Zellkommunikation
Group Hoffmann, Rudolf Virchow Center
Arbeitsgruppe Lohse, Rudolf-Virchow-Zentrum Universität Würzburg
Die für die Arzneiforschung wichtigsten Zielmoleküle sind G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR). Rund 30 Prozent aller Medikamente wirken über diese mehr als 800 Mitglieder zählende Klasse von Proteinen, die zentrale Aufgaben bei der Zellkommunikation und der Verarbeitung von Schmerz- und Sinnesreizen haben.
Das Protein β-Arrestin reguliert GPCR. Ungeklärt war, wie das auf molekularer Ebene funktioniert. Mit Biosensoren konnten die Wissenschaftler nun die Interaktion auf zeitlicher und räumlicher Ebene aufklären. „Als ich 1990 β-Arrestin entdeckte, sah es so aus, dass es dazu da ist, Rezeptoren abzuschalten“, sagt Lohse. „Dass es jedoch als eigenständiges Signalmolekül agiert, konnten wir erst jetzt mit modernster Technik belegen.“
In den Experimenten war aufgefallen, dass β-Arrestin von den Rezeptoren in einen aktiven Zustand versetzt wird und dass dieser länger anhält als die Interaktion mit Rezeptoren. Die Veränderung war so signifikant, dass ein Zyklus von Aktivierung und Deaktivierung von β-Arrestin erkennbar war – ein Kriterium für die Definition eines eigenständigen Signalmoleküls. Zeitgleich konnten amerikanische Kooperationspartner zeigen, dass die Art der Aktivierung des β-Arrestins vom aktivierenden Rezeptor abhängt. Der Austausch mit den amerikanischen Kollaborationspartnern, auf deren ganz ähnliche Arbeiten Hoffmann auf einer Tagung aufmerksam wurden, hatte Schwung in das Projekt gebracht. „Dieses Projekt durchlief Höhen und Tiefen“, erinnert sich Hoffmann. „Wir mussten uns oft in Geduld üben, aber das Warten hat sich gelohnt.“
Durch die molekulare Verstärkung oder Blockierung von β-Arrestin könnte die Wirkung von zukünftigen Medikamenten spezifischer werden und mit weniger Nebenwirkungen verbunden sein. Auf Grund ihrer Vielfalt bilden GPCR – und jetzt möglicherweise auch β-Arrestin – einen wichtigen Angriffspunkt für pharmazeutische Substanzen. Besonders gute Fortschritte erwartet Hoffmann in der Langzeittherapie mit starken Schmerzmitteln. Der Körper gewöhnt sich an das Medikament und ist zunehmend auf höhere Dosen angewiesen. Dabei verstärken sich auch die Nebenwirkungen. Neue Medikamente, die gezielt β-Arrestin molekularbiologisch beeinflussen, könnten diese Toleranzentwicklung minimieren, Nebenwirkungen aussparen und eine Langzeittherapie effektiver machen.
Hoffmann blickt optimistisch in die Zukunft und plant bereits Folgeprojekte. Im nächsten Schritt möchte er austesten, ob sich die Aktivierung von β-Arrestin durch Modellsubstanzen verändern lässt. „Das wäre der erste Schritt zu neuen Medikamenten.“