Forscher widerlegen Lehrbuch-Wissen über Makrophagen-Stoffwechsel bei entzündlichen Erkrankungen
Indem die Forscher die beteiligten Stoffwechselreaktionen detailliert untersuchten, zeigen sie einen neuen Ansatz für die Therapie chronisch entzündlicher Erkrankungen auf: „Wir konnten die Entzündung mit pharmakologischen Mitteln abbremsen“, erläutert Prof. Karsten Hiller, Leiter der Arbeitsgruppe „Metabolism“ am LCSB. „Hier könnte möglicherweise ein neuer therapeutischer Ansatzpunkt liegen, etwa für die Behandlung von Allergien oder eines septischen Schocks.“
Makrophagen – auch Fresszellen genannt – sind Immunzellen und als solche Teil der angeborenen Immunabwehr. Sie entwickeln sich aus Monozyten, die im Blutstrom zirkulieren, und wandern in das umliegende Gewebe ein. Wenn sie mit Membranbestandteilen von Bakterien und Viren oder mit Entzündungsbotenstoffen wie Zytokinen in Kontakt kommen, werden die Makrophagen aktiviert. Sie beteiligen sich dann an der Abwehr der eingedrungenen Erreger.
Diese Aktivierungsprozesse sind komplex und lösen tiefgreifende Reprogrammierungen des Makrophagen-Stoffwechsels aus. Was dabei genau passiert, war bisher nicht im Detail erforscht. Eine wichtige Rolle bei der Umprogrammierung spielt das Protein Hif1ɑ. Das Protein war bereits aus früheren Untersuchungen in Krebszellen bekannt. Befinden sich die Zellen in einer sauerstoffarmen Umgebung, wie z.B. in der Mitte eines Tumors, wird Hif1ɑ stabilisiert, sein Abbau also verhindert. Als Konsequenz führt dies letztlich über eine Reihe regulatorischer Mechanismen dazu, dass weniger Pyruvat in den Citratzyklus eingespeist wird – ein zentraler Stoffwechselweg vieler Lebewesen, über den sie Energie und Baustoffe für die Biosynthese zahlreicher Moleküle erzeugen.
„Es war bekannt, dass in aktivierten Makrophagen, trotz der Anwesenheit von Sauerstoff, Hif1ɑ stabilisiert wird. Deswegen nahm man an, dass auch die weiteren Stoffwechselwege mit denen in Krebszellen vergleichbar sind“, erläutert Dr. Johannes Meiser aus der Metabolomics-Gruppe am LCSB. „Wir konnten jetzt zeigen, dass das nicht stimmt: In den Makrophagen wird trotz der Anwesenheit von Hif1ɑ im Verlauf einer Entzündungsreaktion der Pyruvat-Einfluss in den Citratzyklus aufrechterhalten.“
Die Makrophagen ermöglichen so die fortlaufende Produktion von Itakonsäure, einer Art körpereigenem Antibiotikum. Dass Itakonsäure überhaupt von Säugetieren produziert wird, hatten Forscher um Prof. Hiller in einer früheren Arbeit gezeigt. Zudem können so weiterhin Fettsäuren synthetisiert werden, die für das Wachstum der Makrophagen im Verlauf der Entzündungsreaktion benötigt werden.
„Die Umwandlung von Pyruvat ist ein ganz zentraler Schritt im Entzündungsgeschehen und bietet sich somit als Ansatzpunkt für die Entwicklung antientzündlicher Therapien an“, sagt Hiller. „Das wäre hilfreich bei Erkrankungen, die mit einer überschießenden Entzündungsreaktion einhergehen, wie Allergien oder einem septischen Schock.“ Dass das grundsätzlich funktioniert, konnten die Forscher experimentell bereits nachweisen: Blockierten sie den Einfluss von Pyruvat in den Citratzyklus, ließen die Entzündungsreaktionen nach.
Originalveröffentlichung
Johannes Meiser et al.; "Pro-inflammatory Macrophages Sustain Pyruvate Oxidation through Pyruvate Dehydrogenase for the Synthesis of Itaconate and to Enable Cytokine Expression"; The Journal of Biological Chemistry; February 19, 2016