Broccoli-Inhaltsstoff beeinflusst Medikamentenwirkung positiv

15.03.2016 - Schweiz

Darmkrebszellen, die mit einem Inhaltsstoff von Kohlgemüsen vorbehandelt werden, werden eher von einem sich in Entwicklung befindlichen Krebsmedikament abgetötet, fanden ETH-Wissenschaftler heraus. Dies ist eines der wenigen Beispiele für Nahrungsmittelinhaltsstoffe, die in moderaten Mengen die Wirkung eines Krebsmedikaments positiv beeinflussen.

Meditations, pixabay.com, CC0

Kohlgemüse – im Bild: Broccoli – enthält Sulforaphan. Über die Nahrung eingenommen verändert dieser Pflanzeninhaltsstoff das Enzym-Profil von Körperzellen.

Gewisse Nahrungsmittel können die Aktivität von körpereigenen Enzymen verändern und damit die Wirkung von Medikamenten beeinflussen. Bekannt ist beispielsweise der nachtteilige Effekt von Grapefruits auf eine Reihe von Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen und zur Senkung des Cholesterinspiegels: Grapefruit-Inhaltsstoffe hemmen ein körpereigenes Enzym, das für den Abbau dieser Medikamente in der Leber verantwortlich ist. Daher nehmen beim Konsum von Grapefruits die Nebenwirkungen dieser Medikamente zu.

Nur wenige Beispiele gab es bisher von Nahrungsmittelinhaltsstoffen, welche in durch Nahrung zugeführten Mengen die Wirkung von Medikamenten zum Wohl der Patienten beeinflussen. Jüngst entdeckten Wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Zürich ein weiteres Beispiel für einen solchen Zusammenhang, wie sie im Fachmagazin «Plos One» berichten.

Konzentration von Enzymen erhöht

Fündig wurden die Forschenden, als sie die Wirkung von Sulforaphan auf menschliche Darmzellen untersuchten. Sulforaphan kommt natürlicherweise in einer Reihe von Kohlgemüsen wie zum Beispiel Broccoli vor. Die Wissenschaftler unter der Leitung von Shana Sturla, Professorin am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich, behandelten im Labor verschiedene Arten von Darmkrebszellen sowie Darmzellen von gesunden Personen mit dieser Substanz. Die verwendete Konzentration entsprach in etwa jener, die nach dem Verzehr von Broccoli in den Darm gelangt.

Die Forschenden fanden dabei heraus, dass Sulforaphan in Darmkrebszellen die Konzentration einer Reihe von Enzymen erhöht, darunter jene eines Enzyms mit der Abkürzung AKR1C3. Interessanterweise entfaltet Sulforaphan diese Wirkung nicht in allen Fällen: In Darmkrebszellen, die aufgrund der Krebserkrankung bereits eine deutlich erhöhte AKR1C3-Konzentration aufwiesen, sorgte die Broccoli-Substanz für eine weitere Konzentrationserhöhung des Enzyms. Auf Darmkrebszellen mit ursprünglich sehr geringen AKR1C3-Konzentration zeigte Sulforaphan jedoch keinen Einfluss. Ebenso wenig auf Darmzellen, die nicht von Krebs betroffen sind.

Medikamentendosis kann verringert werden

Das Enzym AKR1C3 ist ein biochemischer Akteur in etlichen Stoffwechselwegen im menschlichen Körper. Ausserdem ist es zentral für die Wirkung eines Krebsmedikaments, das sich derzeit noch in Entwicklung und klinischer Erprobung befindet. Dieses Medikament mit der Bezeichnung PR-104A wird in einer inaktiven Form verabreicht und erst in Krebszellen durch das dort anwesende AKR1C3 in seine aktive Form umgewandelt. Die Forschenden untersuchten daher in Zellkultur, ob der Broccoli-Inhaltsstoff die Wirkung von PR-104A erhöhen kann. Es bestätigte sich: Wenn die Wissenschaftler die Darmkrebszellen mit Sulforaphan vorbehandelten, reichte weniger als ein Drittel der Dosis von PR-104A, um die Krebszellen abzutöten. «Da Krebsmedikamente in der Regel auch starke Nebenwirkungen haben, sind Ansätze, die Medikamentendosis zu verringern, immer erstrebenswert», so Sturla.

Ungiftig und ohne Nebenwirkungen

«Interessant an Sulforaphan ist, dass es natürlicherweise in unserer Nahrung vorkommt und in der von uns verwendeten Konzentration ungiftig ist», sagt die ETH-Professorin. «Ausserdem wirkte Sulforaphan in unseren Experimenten nur in Krebszellen und nicht in Zellen von gesundem Gewebe. Somit lassen sich Nebenwirkungen vermeiden.» Nach diesen Ergebnissen in Zellkulturstudien möchten die Wissenschaftler in Zukunft auch in klinischen Studien mit Krebspatienten untersuchen, ob Sulforaphan eine Therapie mit PR-104A positiv unterstützt.

Ausserdem möchten die Forschenden weitere Nahrungsmittelinhaltstoffe finden, welche die Wirkung von Medikamenten bereits in geringen Mengen positiv beeinflussen. «Wir gehen davon aus, dass es noch weitere solche Kombinationen gibt», so Sturla.

Bei dieser weiteren Suche wird ihnen das nun aufgebaute Know-how zugutekommen. Im vorliegenden Projekt, das vom Schweizerischen Nationalfonds mit Fördermitteln für interdisziplinäre Forschung unterstützt wurde, haben die Wissenschaftler den Einfluss von Sulforaphan auf die Darmzellen auf verschiedenen Ebenen untersucht: auf genetischer Ebene, jener der Proteine und der Enzymaktivität sowie der funktionellen Auswirkungen auf die Zellen. Von der ETH Zürich waren neben Wissenschaftlern der Gruppe von Sturla (Toxikologie) solche aus den Gruppen der Professoren Bernd Wollscheid (biomedizinische Proteomik) und Niko Beerenwinkel (Computational Biology) beteiligt, von der Universität Zürich war Giancarlo Marra (molekulare Krebsforschung) beteiligt.

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