Künstliche Biofilme für ressourcenschonende Biotechnologie

10.02.2016 - Deutschland

Im neuen bayerischen Projektverbund BayBiotech kooperieren Bioprozesstechnik und makromolekulare Chemie an der Universität Bayreuth, um ein innovatives Konzept für künstliche Biofilme zu entwickeln. Deren Potenziale sollen in unterschiedlichen Bereichen der Industrie systematisch genutzt werden können – zum Beispiel in der Energietechnik, der Umwelttechnik oder der Pharmazie.

Patrick Kaiser

Dreidimensionale Aufnahme einer Mikrofaser mit Shewanella oneidensis-Bakterien. Grün: lebende Bakterien, rot: tote Bakterien.

Welche Chancen bietet die Biotechnologie für eine innovative, in wirtschaftlicher Hinsicht effiziente und zugleich umweltfreundliche Nutzung von Rohstoffen? Um diese Frage geht es in dem neuen Projektverbund Ressourcenschonende Biotechnologie (BayBiotech), der vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit insgesamt rund zwei Mio. Euro gefördert wird. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), die den Verbund koordiniert, fand am 3. Februar 2016 die Auftaktveranstaltung statt. Dabei stellten sich sechs anwendungsorientierte Forschungsprojekte vor, die künftig an BayBiotech mitwirken. Dazu zählt auch ein Vorhaben der Universität Bayreuth zum Thema „Biofilme für die Prozessintensivierung“, in dem Forschungsteams aus der Bioprozesstechnik und der Makromolekularen Chemie unter der Leitung von Prof. Dr. Ruth Freitag und Prof. Dr. Andreas Greiner kooperieren.

Von der Natur zur industriellen Nutzung

Das Projekt zielt darauf ab, ein neues Konzept für künstliche Biofilme zu entwickeln und im Industriemaßstab umzusetzen. In der Natur gibt es vielfältige Beispiele für Biofilme. Sie entstehen überall dort, wo sich Bakterien, Pilze oder Algen an feuchte Oberflächen anheften und sich hier aufgrund günstiger Lebensbedingungen vermehren, wie etwa an Brückenpfeilern, Rohrleitungen oder Schiffsturbinen. In manchen Bereichen der Industrie werden bereits heute großflächige Biofilme eingesetzt. Biofilme kommen insbesondere bei der Abwasserbehandlung, in Bio-Filtern für die Luftreinhaltung, in Biogasanlagen oder auch bei der Produktion von Essigsäure zum Einsatz, die für die Lebensmittel- und für die Kunststoffindustrie ein unentbehrlicher Rohstoff ist.

In diesen Fällen arbeitet man mit natürlichen Biofilmen, die meist mehrere Arten von Mikroorganismen enthalten. Für viele weitere Anwendungen in der industriellen Biotechnologie gibt es jedoch keine geeigneten natürlichen Biofilme, oder sie sind aus hygienischen Gründen nicht erwünscht. Hier setzt das neue Bayreuther Konzept der „Biokomposite“ an: Dies sind Biofilme, bei denen die Mikroorganismen nicht nur gezielt ausgewählt, sondern auch in ein maßgeschneidertes Substrat aus Polymeren eingebettet werden.

Vielfältige Anwendungspotenziale maßgeschneiderter Biofilme

Die an BayBiotech beteiligten Forscher an der Universität Bayreuth sind überzeugt, dass das Potenzial derartiger künstlicher Biofilme groß ist. Dies gilt vor allem für „Single Species“-Biofilme, die ausschließlich eine einzige Art von Mikroorganismen enthalten, so dass sich deren Stoffwechselfunktionen gezielt steuern und kontrollieren lassen. „Für einen sparsamen Umgang mit Rohstoffen wird es immer wichtiger, dass die in Abfällen enthaltenen Wertstoffe erneut genutzt werden“, erklärt Prof. Freitag, Inhaberin der Lehrstuhls für Bioprozesstechnik. „Dies gilt für Abfälle aus der Industrie und der Landwirtschaft ebenso wie für den Müll von Privathaushalten. Phosphat, Schwefel und Metalle sind Rohstoffe, die viel zu wertvoll sind, um verbrannt zu werden. Mithilfe spezieller Mikroorganismen können sie isoliert und zurückgewonnen werden.“

Ein weiteres zukunftsweisendes Anwendungsgebiet ist die Energietechnik. So können Mikroorganismen in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung genutzt werden. Als Katalysatoren können sie hier Elektronen freisetzen, die – wenn sie direkt auf die Anode der Brennstoffzelle geleitet werden – einen Stromkreislauf in Gang setzen. Nicht zuletzt sind Biofilme auch für die Chemieindustrie zunehmend interessant, beispielsweise wenn es um strukturspezifische Synthesen, natürliche Schädlingsbekämpfung und -schadstoffabreicherung oder die Förderung des Pflanzenwachstums geht.

Bis heute fehlt der Industrie jedoch ein universell einsetzbares Konzept für die Produktion von „Single Species“-Biofilmen, die passgenau auf bestimmte biotechnologische Funktionen hin zugeschnitten sind. Das Bayreuther Forschungsprojekt unter dem Dach von BayBiotech will in den nächsten Jahren wichtige Eckpunkte eines solchen Konzepts erarbeiten. Auf diese Weise sollen industrielle biotechnologische Prozesse intensiviert und die Potenziale von Biofilmen in unterschiedlichen Branchen systematisch genutzt werden können.

Biokomposite – eine vielversprechende Materialklasse für die Biotechnologie

Von zentraler Bedeutung für dieses Vorhaben ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Bioprozesstechnik und Makromolekularer Chemie auf dem Bayreuther Campus. Unter der Leitung von Prof. Greiner, der an der Universität Bayreuth einen Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie innehat, sollen neue Biokomposite entwickelt werden. Hierbei handelt es sich um eine neuartige Materialklasse, bei der Bakterien oder andere Mikroorganismen gezielt in einer Polymer-Matrix platziert werden. Diese Verbundmaterialien haben, wenn sie als Biofilme eingesetzt werden, zahlreiche Vorteile. Die Mikroorganismen sind innerhalb der Matrix an ausgewählten Punkten fixiert und können sich nicht frei bewegen, so dass sich das Zusammenspiel ihrer Stoffwechselprozesse und somit auch die Funktionen der Materialien präzise kontrollieren lassen.

„Wir verfügen an der Universität Bayreuth über modernste Technologien, die für das Design und die Produktion von Biokompositen im Labor erforderlich sind“, erklärt Prof. Greiner. „So haben wir zum Beispiel Anlagen für das Elektro- und das Nass-Spinnen, mit denen sich feinstrukturierte Vliese und Gewebe aus Polymeren herstellen lassen. Dies sind Trägermaterialien, deren hochinteressante Eigenschaften auf dem Gebiet der Biofilme bisher noch viel zu wenig genutzt worden sind.“

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