Kein unausweichliches Schicksal: Das Krebsrisiko lässt sich senken

Erkrankungsrisiko lässt sich durch den Lebensstil oft verringern

04.02.2016 - Deutschland

(dpa) Rocklegende David Bowie, Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister oder «Harry-Potter»-Star Alan Rickman: Sie alle sind kürzlich an Krebs gestorben. Bösartige Tumore sind - nach Herz-Kreislauferkrankungen - die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Jeder zweite Mann und fast jede zweite Frau erkrankt an Krebs - rund 500.000 Menschen erhalten jedes Jahr die gefürchtete Diagnose. Häufig ist es Schicksal, doch der Lebensstil kann das Krebsrisiko erheblich beeinflussen, wie Experten anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar betonen.

Studien auf diesem Gebiet kommen durchaus zu abweichenden Ergebnissen. Dabei gibt es auch deutliche Unterschiede von Krebsart zu Krebsart. Doch nach Ansicht vieler Forscher wären insgesamt bis zur Hälfte der bösartigen Tumore vermeidbar, wenn Menschen nicht rauchen würden, auf Alkohol verzichteten, auf ihre Ernährung achteten, Sport trieben und schlank blieben. «Das Schicksal spielt natürlich eine Rolle, aber man kann es stark beeinflussen», sagt der Leiter der Abteilung Epidemiologie von Krebserkrankungen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, Rudolf Kaaks.

Rauchen: Rauchen sei bundesweit für etwa jeden fünften Krebsfall verantwortlich, warnt Kaaks. Bei Lungen-, Rachen-, Speiseröhren- und Blasenkrebs sei der Anteil sogar noch viel höher. Hinzu komme, dass Lungenkrebs sehr oft tödlich ende. «Rauchen ist Ursache und sicherlich auch Killer Nummer eins, wenn es um die Krebssterblichkeit geht.» Auch der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Johannes Bruns, warnt vor den Folgen des Tabakkonsums: Es gebe relativ wenige Möglichkeiten, Krebs wirkungsvoll vorzubeugen - und nicht zu rauchen sei eine davon. Entscheidend sei, dass Rauchen nicht nur einen selbst, sondern auch andere betreffe. Allein in Deutschland würden jährlich 3.000 Menschen durch Passivrauchen an Krebs sterben.

Übergewicht: Den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Krebs kennen viele Menschen nicht, dabei ist er laut Kaaks seit Jahren belegt. Nach vorsichtigen Schätzungen könnten darauf mindestens fünf bis sechs Prozent aller Krebsfälle zurückgeführt werden. «Die Liste der Krebsarten, bei deren Entstehung vermutlich Übergewicht eine Rolle spielt, wird immer länger», erläutert der DKFZ-Experte. Dabei gelte nicht nur Fettleibigkeit als Risikofaktor - auch an sich schlanke Menschen mit viel Bauchfett hätten ein erhöhtes Risiko. Bruns sieht keinen so offensichtlichen Zusammenhang. Das Gewicht könne ein Risikofaktor für Krebs sein, doch niemand könne sagen, um wie viel das Risiko ab einem bestimmten Gewicht steige, sagt er.

Ernährung: Falsche Ernährung spielt Kaaks zufolge bei bis zu zehn Prozent aller Krebsfälle eine Rolle. Es gibt auch Lebensmittel, die etwas vor Krebs schützen. Am besten belegt und am stärksten ausgeprägt seien die schädliche Wirkung von rotem Fleisch und die schützende Wirkung von Ballaststoffen, sagt Kaaks. Dass Gemüse und Obst das Krebsrisiko stark senken, habe sich jedoch nicht bestätigt. Für Aufsehen sorgte eine Warnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Wer viel verarbeitetes Fleisch - etwa Würstchen oder Schinken - esse, erhöhe sein Darmkrebsrisiko. Zudem stufte die WHO rotes Fleisch generell als wahrscheinlich krebserregend ein. Prompt gaben Ernährungsexperten unter anderem zu bedenken, dass Fleisch Eisen und wichtige Vitamine liefert. «Man kann jedes Fleisch bedenkenlos essen. Es kommt aber auf die Menge an», betont Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke.

Sport und Bewegung: Körperliche Aktivität senkt das Risiko für Darm- und Brustkrebs. «Und es mag sehr wohl sein, dass das auch für viele andere Krebsarten gilt», sagt Kaaks. Der Fachgebietsleiter des Zentrums für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut, Klaus Kraywinkel, schätzt, dass mindestens jeder fünfte Krebsfall auf Bewegungsmangel, Übergewicht und/oder ungesunde Ernährung zurückzuführen ist. «Fitness wirkt ein Stück weit schützend», meint auch Bruns. «Aber kein Mensch sollte glauben, vor Krebs gefeit zu sein, nur weil er jedes Jahr den Berlin-Marathon läuft.»

Alkohol: Vier bis fünf Prozent aller Krebsfälle sind laut Kaaks auf Alkohol zurückzuführen. Vor allem die Kombination von Alkohol und Rauchen sei gefährlich, warnt er. Ein Glas Wein oder Bier reiche schon aus, um das Risiko für bestimmte Krebsarten leicht, aber nachweisbar zu steigern. Bruns ist überzeugt, dass bei Alkohol die Dosis das Gift macht. «Irgendwann ist die Schwelle erreicht, wo der Körper nicht mehr damit umgehen kann und Krebs entsteht», sagt er. Diese Schwelle sei aber von Mensch zu Mensch sehr verschieden.

UV-Strahlung: Sonnenbrände seien der Hauptrisikofaktor für schwarzen Hautkrebs - 90 Prozent aller Melanome gingen vermutlich darauf zurück, warnt Kaaks. «Daher ist es extrem wichtig, Sonnenbrände zu vermeiden.» Kinder und Menschen mit heller Haut und roten Haaren brauchten besonderen Schutz. «Aber man muss nicht so weit gehen, dass man bei Sonnenschein im Keller sitzt und nur abends rausgeht.» Schließlich sei Sonnenlicht wichtig für die Versorgung mit Vitamin D, das für Gesundheit und Psyche bedeutsam sei.

Infektionen: Bei manchen Krebsarten spielen Viren und Bakterien eine gravierende Rolle. HPV-Infektionen etwa seien für alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich, sagt Kaaks. Dagegen gebe es eine Impfung. Kraywinkel geht davon aus, dass in Deutschland bei fünf bis zehn Prozent der Krebserkrankungen chronische Infektionen eine Rolle spielen. Zu den bekanntesten Erregern zählen das Hepatitis B- und C-Virus sowie das Bakterium Helicobacter pylori.

Vorsorge: Gesetzliche Vorsorgeuntersuchungen seien neben dem Verzicht aufs Rauchen die wichtigste Maßnahme zur Krebsvorbeugung, sagt Bruns. Bei einer Darmspiegelung etwa ließen sich schon Krebsvorstufen erkennen und entfernen. Dadurch könne Darmkrebs gar nicht erst entstehen. Ähnliche Effekte gebe es etwa beim Hautkrebs-Screening und beim Pap-Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs. Und selbst wenn Krebs bereits entstanden sei, könne er durch solche Untersuchungen oft frühzeitig entdeckt werden.

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