Steht Deutschland zu früh auf?
Ob Frühaufsteher oder Morgenmuffel – der Schlaftyp ist genetisch festgelegt. Würden sich alle danach richten, kämen die meisten nicht alltagstauglich um 6 oder 7 Uhr aus dem Bett, sondern eher 2 Stunden später, so Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster und Tagungspräsident der 23. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) vom 3. bis 5. Dezember 2015 in Mainz.
Wie Studien belegen, sind Frühaufsteher eher selten. „Nur etwa ein Sechstel der Bevölkerung, die sogenannten Morgenmenschen – Chronotyp „Lerche“ – kommen mit den üblichen Arbeits- und Schulzeiten gut zurecht“, so Dr. Manfred Betz, Institut für Gesundheitsförderung und -forschung (IGFF) Dillenburg. Die meisten gehören zum Chronotpy „Eule“, schlafen nach Mitternacht ein und werden erst im Laufe des Vormittags wieder wach. Für sie beginnen Arbeit und Schule zu früh. Sie sind nicht ausgeschlafen und quälen sich durch den Vormittag.
Während fast alle Kleinkinder Frühaufsteher sind, ändert sich das im Laufe der Entwicklung. „Mit Beginn der Pubertät verschiebt sich der Chronotyp bei Jugendlichen zunehmend in Richtung Spättyp (Eule)“, so Dr. Betz. „Jugendliche sind abends lange wach und würden morgens länger schlafen, wenn man sie denn ließe.“ Frühmorgens seien vor allem ältere Jugendliche noch müde und nicht leistungsbereit, so auch Dr. Weeß: "Bei einem Schlafbedarf von neun bis zehn Stunden kommt während der Schulzeit der Schlaf zu kurz. Die meisten Heranwachsenden sind chronisch müde. Viele leiden unter einem Dauerschlafmangel mit Konzentrationsschwierigkeiten und fehlender Lernmotivation. Die Schule beginnt viel zu früh."
Tatsächlich fängt der Schulunterricht in den meisten Ländern deutlich später an, zum Beispiel in England, Schweden und Portugal erst um 9 Uhr, und ist damit an den natürlichen Lebensrhythmus besser angepasst. Untersuchungen belegen, dass die Schulleistungen am späteren Vormittag deutlich besser sind als frühmorgens: „Ein 1-2 Stunden späterer Schulbeginn in der Oberstufe könnte sich günstig auf Leistungsfähigkeit und Aufnahmebereitschaft auswirken“, so Dr. Betz – vorausgesetzt, dass die Schlafenszeit sich nicht noch weiter nach hinten verschiebt. Dies sei bei der verbreiteten exzessiven Nutzung digitaler Medien in den späten Abendstunden jedoch häufig der Fall.
Wichtige Ansatzpunkte für mehr Leistung und Wohlbefinden seien „flexiblere Arbeitszeiten, die die Bedürfnisse des jeweiligen Chronotyps berücksichtigen, mehr körperliche Aktivität bei Tageslicht sowie der Verzicht auf digitale Medien in den letzten 2 bis 3 Stunden vor dem Schlafen.“
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