Legionellen wachsen bei deutlich höheren Temperaturen als bislang angenommen

06.11.2015 - Deutschland

Der bakterielle Krankheitserreger Legionella pneumophila, der unter anderem in Warmwassersystemen vorkommt, vermehrt sich bei Temperaturen zwischen 50 und 60°C. Das konnten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig in einer Studie zeigen, die jetzt in der Fachzeitschrift The ISME Journal veröffentlicht wurde. Eine zusätzliche Gefährdung für den Menschen lässt sich aus diesem Befund nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht ableiten. Welche Konsequenzen sich daraus für das Management von Heißwassersystemen, Klimaanlagen und Kühltürmen ergeben, sollte nach Einschätzung der Forscher durch weiterführende Studien geklärt werden.

René Lesnik

BCYE-Agarplatte (das typische Legionellenmedium mit Kohle) mit typischen Legionellenkolonien

Legionellen verursachen in Europa Schätzungen zufolge jedes Jahr etwa 100.000 Fälle von schweren Lungenentzündungen. Die sogenannte Legionellose, deren schwerste Form man auch als „Legionärskrankheit“ bezeichnet, tritt oft  gehäuft in Form von Ausbrüchen auf, die viele Menschen erfassen. Wenn die Infektion nicht rechtzeitig erkannt wird, kann sie rasch zum Tod führen. Obwohl Legionella pneumophila, der  wichtigste Krankheitserreger unter den Legionellen, seit 1976 bekannt ist und intensiv studiert wird, lassen sich Ausbrüche von Legionellosen bis heute nicht effizient verhindern. Die Keime vermehren sich in erster Linie in Warm- und Heißwassersystemen und gelangen über Wassertröpfchen in die Lunge der Menschen. Duschen, Kühltürme und Klimaanlagen stellen wesentliche Infektionsquellen dar. Die deutsche Gesetzgebung sieht daher vor, dass alle relevanten Heißwassersysteme regelmäßig auf das Vorkommen von Legionellen hin untersucht werden.

„Um der Gefährdung durch Legionellen langfristig wirksam zu begegnen, ist ein fundiertes und detailliertes Verständnis der Ökologie dieser Bakterien in unseren Warmwassersystemen erforderlich“, sagt Prof. Manfred Höfle, Leiter der Arbeitsgruppe „Mikrobielle Diagnostik“ am HZI. Höfle koordiniert ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes trinationales Projekt über die Ökologie der Legionellen, an dem deutsche, palästinensische und israelische Partner beteiligt sind. Darüber hinaus ist seine Arbeitsgruppe in das EU-Projekt „Aquavalens“ eingebunden, wo sie an der Verbesserung der Diagnostik von Erregern im Wasser arbeitet.

Höfle und seine Kollegen Dr. Ingrid Brettar und René Lesnik untersuchten die Legionellen-Population im Trinkwasser auf dem gesamten Weg von den natürlichen Reservoiren in Stauseen über Wasserspeicher und Leitungen bis hin zum Wasserhahn. Mittels molekularbiologischer Methoden stellten sie fest: Im heißen Leitungswasser kommen deutlich mehr Legionellen vor als im kalten. „Es zeigte sich, dass die Legionellenzahlen bei  50 bis 60°C zunehmen und dass insbesondere von einem Wachstum von Legionella pneumophila in diesem Temperaturbereich auszugehen ist“, sagt Ingrid Brettar. „Das ist ein überraschendes Ergebnis“, kommentiert René Lesnik, der Erstautor der Veröffentlichung. „In allen bislang vorliegenden Untersuchungen wurde von einem Legionellen-Wachstum bis zu 42°C, maximal bis 45°C ausgegangen.“

Auch wenn bei Legionellen im Wasser generell Wachsamkeit geboten ist, geben diese Befunde nach Aussage der Wissenschaftler bislang keinen Anlass zu zusätzlicher Sorge: „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ergibt sich dadurch keine grundsätzlich neue Situation, was die gesundheitliche Gefährdung durch Legionellen angeht“, sagt Höfle. Möglich sei es allerdings, dass die vorliegenden Erkenntnisse hilfreich sein könnten, um das Management von Heißwassersystemen zu verbessern und es gegen Legionellenbefall und -wachstum sicherer zu machen. Diese und andere Fragen – etwa wie es den Legionellen gelingt, sich bei  höheren Temperaturen zu vermehren – hoffen Höfle und seine Kollegen in weiteren Studien gemeinsam mit ihren Forschungspartnern klären zu können.

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