Krebsmedikament lindert Lern- und Gedächtnisprobleme bei Mäusen

„Vorinostat“ kann möglicherweise zur Behandlung von Alzheimer eingesetzt werden

21.09.2015 - Deutschland

Alzheimer stört den Organismus in vielfacher Hinsicht. Ein Aspekt, der zunehmend ins Blickfeld der Forschung rückt, ist die Genexpression. Dieser Begriff beschreibt das Phänomen, dass innerhalb einer Zelle immer nur bestimmte Abschnitte des Erbguts aktiv sind. „Je nach Zelltyp und Situation sind manche Gene an- und andere ausgeschaltet“, erläutert Prof. Dr. André Fischer, Standortsprecher des Deutschen Zentrums für Neurodegernative Erkrankungen (DZNE) in Göttingen und Professor an der Universitätsmedizin Göttingen. „Bei Alzheimer ist dieses Aktivitätsmuster gestört. Insbesondere innerhalb der Nervenzellen des Gehirns. Darunter leiden die Lernfähigkeit und das Gedächtnis.“

Beeinflussung der Genaktivität

Histon-Deacetylase-Inhibitoren werden daher schon länger als Mittel der Alzheimer-Therapie in Erwägung gezogen. Insbesondere „Vorinostat“ gehört zu dieser Substanzklasse. „Diese Stoffe beeinflussen bestimmte Helferproteine, die an der Genexpression beteiligt sind. Das kann sich auf den Krankheitszustand günstig auswirken“, sagt Fischer. Laboruntersuchungen hätten darauf hingedeutet. Aber bislang sei die Datenlage zu spärlich gewesen, um diese Substanzen an Patienten zu testen.

Studie an Mäusen

„Deshalb haben wir eine detaillierte Studie durchgeführt. Wir haben uns angeschaut, wie Vorinostat auf Alterserscheinungen wirkt und auch wie es Krankheitssymptome beeinflusst. Unser Ziel war es, die Grundlagen für innovative klinische Studien zu schaffen“, so der Neurowissenschaftler.

Die Forscher behandelten zwei Gruppen von Mäusen mit Lern- und Gedächtnisschwierigkeiten. In der einen Gruppe waren die kognitiven Probleme altersbedingt. Die Mäuse der zweiten Gruppe waren jünger. Aufgrund eines genetischen Defekts hatten sich in ihren Gehirnen allerdings Eiweißstoffe angesammelt, die in ähnlicher Weise auch bei Patienten mit Alzheimer auftreten. Diese Tiere zeigten ebenfalls ausgeprägte Lern- und Erinnerungsstörungen.

„Bei beiden Gruppen verbesserte Vorinostat die Lernfähigkeit und das Gedächtnis“, sagt Fischer. „Außerdem haben wir festgestellt, dass Vorinostat vorwiegend auf Nervenzellen wirkt. Es hatte einen entzündungshemmenden Effekt auf das Gehirn. Zudem wurde die Genexpression weitgehend normalisiert.“

Darüber hinaus fanden die Forscher heraus, wie Vorinostat Nervenzellen dabei unterstützt, sich miteinander zu verbinden. Diese Befähigung wird „synaptische Plastizität“ genannt. „Die synaptische Plastizität hat maßgeblichen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten“, sagt Fischer. „Die synaptische Plastizität ermöglicht dem Gehirn, Nervenzellen zu vernetzen und diese Verbindungen nach Bedarf anzupassen. Das ist eine Voraussetzung, um Informationen effektiv verarbeiten zu können.“

Nächster Schritt: Studie mit Patienten

„Letztlich haben wir zeigen können, was Vorinostat eigentlich macht. Nicht nur, wie Symptome beeinflusst werden, sondern auch, was auf zellulärer Ebene geschieht“, fasst Fischer die Ergebnisse zusammen. „Damit liegen nun ausreichend Daten vor, um die Wirkung bei Probanden zu erproben. Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie Grundlagenforschung den Weg für klinische Untersuchungen bereiten kann.“

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