Flippiger Lipid-Transport
Illustration: from Perez et al, 2015
Membranen spielen in der Biologie eine überaus wichtige Rolle, gebildet werden Membranen in der Regel durch eine Doppelschicht von Lipiden. Lipide haben einen hydrophilen Kopf, an welchen zwei lange, hydrophobe Kohlenwasserstoffketten gebunden sind. Bei einer Doppellipidschicht liegen die hydrophilen Köpfe der Lipide außen, die hydrophoben Ketten sind einander zugewandt. In die Membran eingebettet sind zahlreiche weitere Bestandteile wie Porenbildende Proteine oder Transport-Enzyme.
Lipid-Transport essenziell
Der Transport von Phospholipiden sowie von Lipid-gebundenen Oligosacchariden (Lipid-linked Oligosaccharide, LLO) ist aufgrund der bipolaren Natur der Doppelmembran energieabhängig und nur schwierig zu bewerkstelligen. Hier kommen sogenannte Flippasen zum Einsatz. Das sind Transportproteine, die über einen besonderen Flipp-Mechanismus Lipide von der einen auf die andere Seite der Membran bringen. Flippasen haben eine wichtige Rolle beim Aufrechterhalten der Asymmetrie von zellulären Membranen, also in der unterschiedlichen Lipid-Zusammensetzung der Innen- und Aussenseite.
Die asymmetrische Verteilung von Lipiden beeinflusst bei Säugetieren etwa die Blutgerinnung, die Immunerkennung oder den programmierten Zelltod, die Apoptose. Wissenschaftler vermuten, dass eine aus den Fugen geratene Lipid-Asymmetrie mit neurodegenerativen Krankheiten wie dem Alzheimer-Syndrom in Verbindung stehen könnte. Zudem spielen Flippasen eine essentielle Rolle im Transport von Lipid-gebundenen Oligosacchariden, die bei der Glykosylierung auf Proteine übertragen werden.
Flippase-Struktur erstmals aufgeklärt
Bislang kannten Biologen weder die genaue Struktur von Flippasen noch deren Mechanismus, wie sie die LLO umorientieren. Nun zeigt eine Forschungsgruppe von Wissenschaftlern der ETH Zürich und der Universität Bern, unter der Leitung von ETH-Professor Kaspar Locher, wie eine dieser Flippasen, die bakterielle «PglK», aufgebaut ist und wie sie funktioniert. PglK sitzt in der Membran des Bakteriums Campylobacter jejuni, einem Krankheitserreger des Menschen.
Um die molekulare Struktur von PglK zu bestimmten, isolierten die Forschenden diese Flippase aus Bakterienmembranen und «froren» die gefundenen Moleküle ein, indem sie diese kristallisierten. Die Kristalle wurden danach mittels Röntgenspektroskopie untersucht und die Positionen der Atome, aus welchen die Flippase besteht, mit hoher Auflösung bestimmt. So erhielten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von drei verschiedenen Stadien dieses beweglichen Moleküls die räumliche Anordnung. Die Kenntnis der Stadien ermöglichte es ihnen schließlich auch, einen molekularen Mechanismus abzuleiten, wie PglK LLOs umlagert.
So zeigen die Forschenden in ihrer Arbeit, dass PglK aus zwei identischen Untereinheiten besteht, die sich unter Energiezufuhr wie eine Schere bewegen. Der hydrophile Zuckerteil des Lipid-gebundenen Oligosaccharids wird dann wie einem Kreditkartenlesegerät durch einen ebenfalls hydrophilen Kanal von PglK gezogen. Der hydrophobe Lipid-Teil des Moleküls hingegen bleibt im hydrophoben Teil der Membran stecken. Dadurch ändert das LLO insgesamt seine Orientierung, der Zuckerteil kommt auf die Membranaussenseite zu liegen. Die Flippase ändert ihre Konformation während der Translokation des Oligosaccharids nicht. Erst wenn das LLO die Flippase verlassen hat, kehrt diese in den Ursprungszustand zurück.
Flippase-Mechanismus verstehen
Der nun gefundene Mechanismus unterscheidet sich grundlegend von bisher erforschten Transportprozessen, die über vergleichbare Transportkomplexe in Membranen ablaufen. «Das Flippen von Lipiden in Membranen hat Biochemiker und Zellbiologen seit jeher fasziniert; die biologische Lösung dieses Problems hat uns begeistert!» sagt Ko-Autor Markus Aebi, Professor für Mikrobiologie an der ETH Zürich.
Die Forschungsgruppen von ETH Zürich und Universität Bern sind die ersten, die dieses fundamentale biologische Rätsel, wie LLO geflippt wird, nun lösen konnten. Dazu haben sie ein neuartiges In-vitro-Modell entwickelt. ETH-Professor Aebi betont, dass es nur durch die Zusammenarbeit von Strukturbiologen, Chemikern und Mikrobiologen gelungen ist, diesen grundlegenden Mechanismus zu entschlüsseln.
Nutzen für Therapeutika?
Die Arbeit sei reine Grundlagenforschung, obwohl es Erkrankungen gibt, die auf Mutationen in einer menschlichen Flippase zurückzuführen seien, so Aebi weiter. Diese Krankheiten gehören zur Klasse der «Congenital Disorders of Glycosylation». Beim Menschen sind über 10‘000 Glykosylierungsstellen in verschiedensten Proteinen bekannt.