Erste Gentherapie startet in Deutschland

Neue Hoffnung im Kampf gegen seltene Augenleiden

13.08.2015 - Deutschland

An der Augenklinik der Universität Tübingen erhalten voraussichtlich noch in diesem Jahr Patienten mit der seltenen Augenerkrankung Choroideremie eine Gentherapie. Für die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) markiert der Versuch den Beginn einer neuen Ära. Die Fachgesellschaft der deutschen Augenärzte erwartet die Entwicklung weiterer Gentherapien, die deshalb auch ein Schwerpunkt des diesjährigen DOG-Kongresses sind.

Die Patienten der Tübinger Genstudie leiden seit früher Kindheit unter Sehstörungen. Zunächst verschlechtert sich das Dämmerungssehen, später kommt es zu einer zunehmenden Einschränkung des Gesichtsfelds und dem Verlust der Sehkraft. „Die meisten Betroffenen erblinden noch vor dem 50. Lebensjahr“, erläutert Kongress-Präsident Professor Dr. med. Karl Ulrich Bartz-Schmidt. Die Ursache des langsamen, aber unaufhaltbaren Sehverlusts ist ein Defekt in einem der rund 200 Gene, die für die Funktion der Netzhaut verantwortlich sind. „Die Choroideremie betrifft in Deutschland nur etwa 1 000 Menschen“, sagt Bartz-Schmidt. Für den Ärztlichen Direktor der Universitäts-Augenklinik Tübingen steht die Choroideremie stellvertretend für eine Vielzahl von seltenen Gendefekten, die derzeit unheilbar sind und für die eine Gentherapie erstmals eine Behandlungsperspektive bieten könnte.

Bei der Gentherapie der Choroideremie schleusen Forscher eine gesunde Version des defekten Gens in die Zellen der Netzhaut. Dabei nutzen sie ein Virus als Träger. „Die sogenannten adenoassoziierten Viren verursachen keine Krankheit, können sich nicht selber vermehren und gelten deshalb als sicher“, sagt Bartz-Schmidt. Augenleiden eignen sich besonders gut für eine Gentherapie. Die Augen sind nach außen abgegrenzt und die Viren samt Gen können in einer Operation direkt unter die Netzhaut injiziert werden. Außerdem kommt es in der Regel zu keiner Abwehrreaktion des Immunsystems.

Eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. med. Robert MacLaren von der Universität Oxford hat die Gentherapie der Choroideremie entwickelt und im vergangenen Jahr Ergebnisse vorgestellt: Bei zwei von sechs Patienten verbesserte sich die Sehstärke nach der Therapie, bei den übrigen vier konnte die Sehschärfe von 0,63 oder besser erhalten werden. „Wir hoffen, mit der Gentherapie die Erblindung verzögern oder sogar ganz aufhalten zu können“, erklärt Bartz-Schmidt.

Neben der Anwendung bei der Choroideremie befinden sich weitere gentherapeutische Ansätze für erblich bedingte Netzhauterkrankungen in der Erprobung, darunter für Achromatopsie, Morbus Stargardt, Retinitis Pigmentosa und die feuchte Form der altersbedingten Makuladegeneration.

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