Neurorehabilitation nach Schlaganfall: Was bewirken Maschinen in unserem Gehirn?

07.08.2015 - Deutschland

Die Neuroprothetik beschäftigt sich damit, wie Menschen Technologien durch die Kraft ihrer Gedanken steuern können. In der Medizin sollen solche Mensch-Maschine-Schnittstellen eingesetzt werden, um beispielsweise gelähmten Patienten dabei zu helfen, wieder selbstständig ihren Alltag zu bewältigen.
Was geschieht in den Gehirnen derer, die solche Neuroprothesen nutzen? Treten anhaltende Veränderungen der Hirnfunktion auf, die für die Anwender auch längerfristig von Nutzen sind? Wissenschaftler um den Neurochirurgen Professor Dr. Alireza Gharabaghi vom Universitätsklinikum Tübingen haben hierzu neue Erkenntnisse beigetragen

Eine Patientin hat vor einem Jahr einen Schlaganfall erlitten. Seitdem ist sie halbseitig gelähmt, kann ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen und ist auf fremde Hilfe angewiesen. Obwohl sie einige Monate in der Reha-Klinik verbracht hat und auch heute noch mehrmals die Woche zur Physiotherapie geht, verbessert sich ihre Situation nicht. Besonders belastet sie, dass sie ihre Hand nicht mehr im Alltag einsetzen kann.

Sie hat sich an den Arzt und Neurowissenschaftler Gharabaghi gewandt, der sich mit seiner Forschergruppe am Universitätsklinikum Tübingen mit Gehirn-Computer-Schnittstellen zur Kommunikation und Funktionswiederherstellung nach Lähmungen befasst. Ziel ist es, effektivere Therapien für die Neurorehabilitation gelähmter Patientinnen und Patienten zu entwickeln.

Die Tübinger Arbeitsgruppe hat wesentliche Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt. Während in der Vergangenheit die meisten Neuroprothetik-Wissenschaftler sich darauf konzentriert haben, eine möglichst genaue Ansteuerung von Maschinen durch das Gehirn zu erreichen, haben die Tübinger Forscher aktuell genauer ergründet, was im Gehirn der Anwender selbst geschieht, wenn sie z.B. einen Handroboter mit ihren Gedanken steuern: Netzwerke im Gehirn werden in ähnlicher Weise aktiviert, wie bei einer richtigen Bewegung ohne Unterstützung. Dieser Effekt wird im Hirn nicht erreicht, wenn man sich diese Bewegung nur vorstellt. Dabei ist besonders wichtig, dass die Anwender diese Bewegung auch wirklich spüren, z.B. durch die roboter-assistierte Unterstützung . Solche Gehirn-Roboter-Übungen sind schwierig und verlangen Ausdauer, vergleichbar mit dem Erlernen eines Musikinstrumentes. Wie andere Herausforderungen kann auch das Roboter-Training zu Frustrationen führen. Interessanterweise konnten die Tübinger Forscher an der im Elektroenzephalogramm (EEG) gemessenen Hirnaktivität schon vor der Übung erkennen, wer bei diesem Training besonders gefordert sein und wem es eher leicht fallen würde.

Da Patienten, z.B. nach einem Schlaganfall, schnell an ihre Belastungsgrenze gelangen können, ist es besonders wichtig, objektive Kriterien zu entwickeln, mit denen das Training mit den Rehabilitationsrobotern an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden kann. Die Gruppe um Gharabaghi konnte in diesem Zusammenhang zeigen, wie sich die Maschinen besonders gut an die Anwender anpassen lassen, damit diese gefördert aber auch gefordert werden und so ihr Lernpotential optimal ausschöpfen.
Mit diesem Ansatz wurde in Tübingen erstmals gezeigt, dass Mensch-Maschine-Schnittstellen, wenn sie richtig eingesetzt werden, genau die Netzwerke und Hirnwellen aktivieren, die für die Rehabilitation Gelähmter besonders wichtig sind; diese Hirnwellenmuster waren sogar noch nach dem Training präsent. Erste Untersuchungen mit Patienten nach einem Schlaganfall unterstreichen, dass es wichtig ist, die Aktivitäten von Mensch und Maschine genau aufeinander abzustimmen, um Erfolge zu erreichen.

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