Gefährdungspotential hormonell wirksamer Stoffe soll umfassend charakterisiert werden

BfR schlägt erweiterte EU-Kriterien zur Identifizierung endokriner Disruptoren vor

07.07.2015 - Deutschland

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat am 1. Juni 2015 in Brüssel auf der EU-Konferenz „Endokrine Disruptoren: Kriterien zur Identifizierung und damit verbundene Folgen“ einen erweiterten Vorschlag zur Identifizierung endokriner Disruptoren auf Basis einer komplexen Entscheidungsmatrix vorgestellt. „Der Schutz der Gesundheit muss bei der Regulierung hormonell wirksamer Stoffe höchste Priorität haben“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Deshalb empfiehlt das BfR, bei der Identifizierung endokriner Disruptoren das Gefährdungspotenzial der Stoffe umfassend zu charakterisieren.“ Nach EU-Recht sollen endokrine Disruptoren, also Stoffe, die aufgrund ihrer hormonellen Wirksamkeit die Gesundheit von Mensch und Tier schädigen können, künftig in Pestizidwirkstoffen verboten werden.

Die Wissenschaft unterscheidet zwischen endokrinen Substanzen und endokrinen Disruptoren, da hormonell wirksame Stoffe nicht notwendigerweise die Gesundheit schädigen. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind endokrine Disruptoren von außen zugeführte Substanzen oder Mischungen, die die Funktion des Hormonsystems verändern und dadurch gesundheitlich schädliche Wirkungen im Organismus, bei seinen Nachkommen oder (Sub-)Populationen verursachen.

Die vom BfR vorgeschlagene Entscheidungsmatrix für die gesundheitliche Bewertung sieht vor, bei der Identifizierung von endokrinen Disruptoren nicht allein deren Wirkstärke („Potenz“) hinsichtlich der endokrinen Effekte zu bewerten, wie es derzeit noch in einer der Optionen der EU-Roadmap vorgeschlagen wird. Der BfR-Vorschlag zielt vielmehr darauf ab, diese Option deutlich zu erweitern und zusätzlich weitere Kriterien zu berücksichtigen. Diese sind der Schweregrad und die Reversibilität der gesundheitlichen Schäden, also die Möglichkeit, diese wieder rückgängig zu machen, die Spezifität der hormonellen Eigenschaften einer Substanz vor dem Hintergrund möglicher weiterer toxischer Eigenschaften sowie die Konsistenz, also die wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit, der Studien. Diese Entscheidungskriterien, im Englischen als potency, severity, reversibility, specifity und consiste ncy bezeichnet, sollen dazu dienen, Stoffe in eine der drei Kategorien „Endokrin aktive Substanz“, „Unter Verdacht stehender Endokriner Disruptor“ oder „Endokriner Disruptor“ einzuteilen. Auf Grundlage dieser Kategorien können auch auf Vorschlag der EU-Roadmap regulatorische Entscheidungen getroffen und zum Beispiel endokrine Disruptoren in Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten verboten werden.

Die Europäische Kommission hat Ende 2014 die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG Health and Food Safety) beauftragt, Kriterien für die Identifizierung endokriner Disruptoren abschließend zu definieren, damit diese künftig im europäischen Pflanzenschutz- und Biozidrecht angewandt werden können. Aufgrund der weltweit gestiegenen Besorgnis gegenüber möglichen schädlichen Wirkungen durch hormonaktive Substanzen sollen in der EU zulassungspflichtige Biozid- und Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe künftig intensiver auch auf endokrin schädliche Eigenschaften untersucht werden. In der Diskussion fand der Vorschlag des BfR bei Teilnehmenden und in der EU-Kommission breite Unterstützung. An der internationalen, von DG Health and Food Safety ausgerichteten Konferenz nahmen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten sowie weiterer Staaten, des Europäischen Parlaments, der Wirtschaft, von Verbän den, Nicht-Regierungs-Organisationen und Medien teil.

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