Mikroalgen – kommerziell produziert
© Fraunhofer IGB
Mikroalgen sind wahre Tausendsassa: Einige von ihnen bilden beispielsweise viel Omega-3-Fettsäuren aus, die für den menschlichen Körper lebenswichtig sind – und dienen als Ausgangsstoff für entsprechende Nahrungsergänzungsmittel. Viele der Algen-Inhaltsstoffe kommen auch in Kosmetikprodukten vor, etwa der rote Farbstoff Astaxanthin aus der Alge Haematococcus pluvialis. Andere Mikroalgen wiederum produzieren Öle oder Stärke, aus denen Biodiesel, Ethanol oder Biogas hergestellt wird. Ihre Fertigung ist bislang fest in amerikanischer, israelischer und asiatischer Hand – denn in Europa gibt es nur wenige kommerzielle Produktionsanlagen. In Asien werden die Wasserpflanzen meist in Freilandteichen gezüchtet. Doch die Menge der Algen, die sich aus einem Teich schöpfen lässt, ist begrenzt. Denn die Algen benötigen Licht, um zu wachsen – und das gibt es nur an der Oberfläche. Zudem besteht bei offenen Anlagen immer die Gefahr, dass die Algen mit anderen Mikroorganismen kontaminiert werden.
Vollautomatische Produktion – unter definierten Bedingungen
In einer vollautomatisierten Anlage am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna sollen die Mikroalgen im großen Maßstab hergestellt werden: Aufgebaut wurde sie von der Subitec GmbH, Hand in Hand mit den Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und des CBP. »Mit unserer Pilotanlage können wir Mikroalgen unter definierten und kontrollierten Bedingungen produzieren«, sagt Dr. Ulrike Schmid-Staiger, Gruppenleiterin am IGB. »Wir erreichen Algenkonzentrationen, die bis zu fünfmal so hoch sind wie in anderen geschlossenen Reaktoren – von Teichen ganz zu schweigen.« Damit ist die Ausbeute an Algen deutlich höher als in anderen kommerziellen Anlagen.
Der Grund dafür liegt vor allem im Licht – dem Haupteinflussfaktor, wenn es ums Algenwachstum geht. Damit alle Algen ausreichend Helligkeit bekommen, setzen die Forscher in ihrer Pilotanlage auf Flachplatten-Reaktoren: Drei oder fünf Zentimeter dicke Platten, die senkrecht zum Boden angebracht sind. Ein geschlitzter Schlauch am Boden pustet eine Luft-CO2-Mischung in das Nährmedium, in dem die Algen schwimmen. Das hat zwei Effekte: Die Gasbläschen steigen nach oben und versorgen die Algen mit Kohlendioxid, das sie zum Wachsen brauchen. Zum anderen wirbeln sie die Algen durcheinander und vermischen sie. Somit strömt jede Alge hin und wieder an die Oberfläche des Reaktors und kann dort Licht tanken. Als Lichtquelle nutzen die Wissenschaftler das Sonnenlicht: Die Reaktoren stehen draußen oder im Gewächshaus.
Vom Labormaßstab zur Großproduktion
Bevor eine bestimmte Algenart gezüchtet wird, untersuchen die Forscher vom IGB im Labor, unter welchen Bedingungen diese Algen am besten gedeihen. Ihre Kollegen vom CBP übertragen diese Bedingungen dann auf die große Anlage. »Was so einfach klingt, ist eine große Herausforderung, für das man viel Know-how braucht – denn es sind verschiedene Reaktoren miteinander verschaltet«, erläutert Schmid-Staiger. »Diese müssen beispielsweise zur gleichen Zeit mit den Algen versehen werden. Zudem sollten die Algen in jedem gleich gut wachsen, damit sie zur gleichen Zeit geerntet werden können.« Die Forscher starten zunächst mit 6-Liter-Reaktoren, von denen sie mehrere miteinander koppeln, und übertragen die Ergebnisse anschließend auf 30- und 180-Liter-Volumen.
»Mit der Anlage in Leuna erhalten wir jetzt ausreichend Biomasse für weiterführende Experimente im Pilotmaßstab«, so Gordon Brinitzer, Ingenieur am CBP. »Auch kann die Betriebsmannschaft so wichtige Erfahrungen für den Betrieb solcher Großanlagen sammeln. Zukünftig könnte daraus der Beruf des Algenfarmers entstehen.« Das gesamte Fassungsvermögen der Pilotanlage umfasst im Gewächshaus 65 Reaktoren mit 3,6 Kubikmetern, in der Freilandanlage 45 Reaktoren mit 8,1 Kubikmetern Inhalt.
Aus den geernteten Algen löst eine Extraktionsanlage die fettlöslichen Inhaltstoffe heraus – etwa Omega-3-Fettsäuren. Oder aber die Wasserpflanzen gehen an Partner und Kunden, die sie dann weiterverarbeiten. So nutzen Landwirte die Algen für den ökologischen Anbau, etwa zur Pilz- oder Insektenbekämpfung. Denn ihr Geruch vertreibt beispielsweise Kohlfliegen: Sind Algen unter den Dünger gemischt, legen die Fliegen ihre Eier lieber anderswo ab. »Da die Herstellung der Mikroalgen nach wie vor teuer ist, liegt das Ziel vor allem darin, möglichst viele Wertstoffe zu nutzen«, fasst Schmid-Staiger zusammen.
Auf der Messe ACHEMA stellen die Forscher ihre Pilotanlage vor – anhand eines 180 Liter fassenden Reaktors (Halle 9.2, Stand D64).