Rätsel um kuriose Planctomyceten gelöst
Lehrmeinung über fehlende Zellwand bei ungewöhnlichen Bakterien widerlegt
Jogler et al., Nature Communications
Planctomyceten geben der Wissenschaft viele Rätsel auf und wurden bei ihrer Entdeckung im Jahre 1924 sogar für Pilze gehalten. Erst in den 1970er Jahren wurden sie als Bakterien erkannt. Schnell wurde aber klar, dass sie sich von allen anderen Bakterien unterscheiden. „Planctomyceten nehmen eine Sonderstellung im Reich der Bakterien ein und sind in mehrfacher Hinsicht einzigartig“, informiert Dr. Christian Jogler, Leiter der Nachwuchsforschergruppe „Mikrobielle Zellbiologie und Genetik“ an der DSMZ. „Diese Bakterien kombinieren Eigenschaften verschiedener Organismen in sehr ungewöhnlicher Weise. Sie vermehren sich durch Knospung analog Hefen und und eine außergewöhnliche Zellkompartimentierung durch Membranen, wie hochentwickelte tierische oder pflanzliche Zellen, wurde beschrieben. Zudem ging man bisher von einer fehlenden Zellwand aus, was Hypothesen stützte, die die Planctomyceten als potentielle Vorfahren komplexer eukaryotischer Zellen diskutierten.“
Olga Jeske, Doktorandin an der DSMZ im Team von Dr. Christian Jogler ist nun eine sehr überraschende Entdeckung gelungen. Sie konnte nachweisen, dass Planctomyceten doch eine Zellwand aus Peptidoglycan besitzen und damit gram-negativen Bakterien sehr ähnlich sind. In enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Max-Planck Institutes für Biochemie (Martinsried), der Eberhard Karls Universität Tübingen und des Helmholtz Institut für Infektionsforschung kamen dabei modernste Methoden wie hochauflösende Mikroskopie, Massenspektroskopie und biochemische Nachweisverfahren zum Einsatz.
„Die Entdeckung einer Zellwand aus Peptidoglycan stürzt die in den Lehrbüchern noch vorherrschende Lehrmeinung, dass sich Planctomyceten substanziell von anderen Bakterien unterscheiden“, ordnet Dr. Christian Jogler die wissenschaftliche Entdeckung ein. „Man findet solch eine Zellwand normalerweise bei allen frei lebenden Bakterien als Schutz vor Umwelteinflüssen.“
Die Ergebnisse der deutschen Forscher werden von einer parallel erscheinenden unabhängigen Studie um Prof. Dr. Laura van Niftrik und Dr. Boran Kartal der Radboud-Universität Nijmegen zusätzlich bestätigt. Die niederländischen Wissenschaftler haben mit unterschiedlichen Methoden an anderen planctomycetalen Modellorganismen die gleichen Ergebnisse erzielt. „Noch müssen weitere Untersuchungen abgewartet werden, aber die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Planctomyceten wahrscheinlich nicht als Vorfahren komplexer eukaryotischer Zellen in Frage kommen“, sagt Dr. Christian Jogler.
„Wir sind sehr stolz, dass diese wichtigen wissenschaftlichen Ergebnisse an der DSMZ in einer unserer Nachwuchsforschergruppen erzielt wurden “, betont Prof. Dr. Jörg Overmann, Direktor der DSMZ. „Wir werden auch weiterhin Forschung mit neuester Spitzentechnologie fördern. Planctomyceten sind bedeutsam für die globalen Stickstoff- und Kohlenstoff-Zyklen. Zudem produzieren sie eine Reihe von Naturstoffen, die das Potential für neue Medikamente haben könnten.“
Originalveröffentlichung
Jeske, O. et al. Planctomycetes do possess a peptidoglycan cell wall. Nat. Commun. 6:7116 (2015).