FWF-Projekt liefert einmaligen Einblick in zentrale Muskelfunktionen

29.04.2015 - Österreich

Die Funktionsweise von Muskeln kann dank der ersten hochauflösenden Röntgenstrukturanalyse des Muskelproteins α-Actinin besser verstanden werden. Die Analyse liefert wesentliche Informationen zur Struktur und Funktion des komplexen Muskelproteins und damit auch zu möglichen neuen Behandlungsansätzen für wichtige Muskelerkrankungen. Dieser Output eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF wurde vor Kurzem in Cell publiziert.

Muskeln bewegen so einiges – zunächst aber sich selbst. Stränge spezieller Proteine verschieben sich gegeneinander, damit der Muskel Kraft ausüben kann. Dies gelingt nur, wenn es im Muskel einen Fixpunkt gibt, der diesen Strängen Halt bietet. Diese Stellen werden als Z-Scheiben bezeichnet – und bestehen zu einem großen Teil aus dem Protein α-Actinin. Letzteres hat sich ein internationales Team um Kristina Djinovic-Carugo von den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien nun näher angesehen.

© Gautel / Ghisleni / Pinotsis / Djinovic-Carugo

In einem Muskel ziehen alle (Proteinfilamente) an einem Strang. Die Rolle des Muskelproteins α-Actinin wird nun dank hochauflösender Strukturanalysen besser verstanden.

Funktion folgt Form

"Nicht nur konnten wir erstmals die genaue Struktur des Proteins aufklären", erklärt Djinovic-Carugo, "sondern auch die Regulierung seiner Funktion – und damit eine lang gehegte Vermutung bestätigen." Tatsächlich zeigte sich, dass α-Actinin als ein Dimer vorlag, das heißt als ein Komplex aus zwei identischen Molekülen. Dieses zylindrisch geformte Dimer hat eine Länge von 360 Å und eine Breite von 60 Å. Jedes einzelne Molekül des Dimers besitzt eine kopf- und eine halsähnliche Struktur, die in eine vierteilige stäbchenförmige Fortsetzung übergeht.

Als besonders interessant stellten sich zwei Proteinbereiche heraus, die am Ende der stäbchenförmigen Fortsetzung L-förmig herausragten: "Diese L-förmigen Bereiche binden an den Hals des jeweils anderen Moleküls. So erhält das Dimer seinen Zusammenhalt", sagt Djinovic-Carugo. "Doch unsere wirklich spannende Entdeckung bezüglich dieser Domäne kam, als wir das Fettsäuremolekül PIP2 zufügten."

Tatsächlich gab es schon seit Jahren die Hypothese, dass PIP2 einen maßgeblichen Einfluss auf die Funktion des α-Actinin’s im Muskel hat. Doch erst die Arbeit von Djinovic-Carugo und ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen in Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Russland, der Schweiz und Slowenien bestätigen nun die Hypothese durch folgende Beobachtung: Solange kein PIP2 vorhanden ist, bleibt die L-förmige Domäne an den Hals des zweiten α-Actinin gebunden. Ist PIP2 vorhanden, öffnet sich diese Bindung und die Domäne fixiert sich an einem anderen Muskelprotein, dem Titin. Dieses macht nach einer Kontraktion den Muskel wieder aktionsbereit. Doch dazu muss es sowohl an die kontraktilen Filamente als auch an die – aus α-Actinin bestehende – Z-Scheibe binden. Der Clou bei der Sache ist – das zeigen die Strukturdaten aus diesem FWF-Projekt –, dass die Halsregion des α-Actinin strukturell dem Titin ähnelt. Die Anwesenheit von PIP2 reicht dann aus, um die Bindungsparameter so zu verändern, dass das eine dem anderen vorgezogen wird.

Röntgenblick in die Kristallkugel

Zur Methodik meint Djinovic-Carugo: "Um die Funktionsweise eines Proteins aus der Struktur abzulesen, muss man Milliardstelmeter erkennen können. Das schafft eigentlich nur die Röntgenstrukturanalyse, bei der Röntgenstrahlen sich an den feinen Strukturen eines als Kristall vorliegenden Proteins brechen." Doch mit der Wahl dieser Technik begann auch eine Geduldsprobe: Die Herstellung ausreichender Mengen von α-Actinin zur Züchtung von Protein-Kristallen dauerte Jahre. Um aufzuklären, wie α-Actinin durch PIP2 reguliert wird, bedurfte es weiterer komplizierter Analysemethoden, bei denen die Expertise der internationalen Kolleginnen und Kollegen essenziell war. Dass sich der gemeinsame und kontinuierliche Einsatz gelohnt hat, zeigen die umfassenden Ergebnisse, die vor Kurzem mit einer Publikation in Cell anerkannt wurden.

Die Bedeutung der Ergebnisse geht dabei weit über die grundlegende Erkenntnis hinaus. Tatsächlich ist α-Actinin an den Ursachen lebensbedrohlicher Muskelerkrankungen wie Dystrophien und Kardiomyopathien beteiligt. Die neuen Erkenntnisse über Struktur und Funktion dieses Proteins könnten nun auch neue Behandlungsansätze ermöglichen.

Originalveröffentlichung

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