Modellarten für ökotoxikologische Tests nicht identisch
A. Scheffczyk, ECT
Der Mensch entlässt immer neue Stoffe in die Umwelt – oft ohne ihre Auswirkungen genau zu kennen. Um die Auswirkungen dieser, häufig auch giftigen, Substanzen abzuschätzen, gibt es inzwischen zahlreiche Richtlinien und Normen, nach denen standardisierte Untersuchungsverfahren identisch durchgeführt werden. Durch diese festgelegten Verfahren wird eine weltweite Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit der Testverfahren gewährleistet.
Algen, Fische, Wasserflöhe oder Regenwürmer stehen für die ökotoxikologischen Test als Modellorganismen zur Verfügung – dabei müssen stets dieselben Arten verwendet werden, damit die Reaktionen auf die Giftstoffe immer die gleichen sind. „Bei den Regenwürmern ging man auch davon aus, dass immer die gleiche Art verwendet wurde. Jedoch sind diese Arten oft nicht so eindeutig und einfach zu identifizieren, wie es für die Tests erforderlich wäre“, erzählt Prof. Dr. Markus Pfenninger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und ergänzt: „Eine einfache und verläßliche Möglichkeit, die taxonomische Identität von Arten eindeutig zu bestimmen, ist das DNA-Barcoding“. Bei dieser Methode wird die Sequenz eines bestimmten DNA-Abschnitts genutzt, um die zu untersuchende Art eindeutig zu bestimmen.
Ein internationales Konsortium von fünf DNA-Barcoding-Laboren unter der Federführung von Pfenninger und Dr. Jörg Römbke von der ECT Oekotoxikologie GmbH/Flörsheim hat die in den Tests verwendete Regenwurmart Eisenia, auch als Kompostwurm bekannt, unter die Lupe genommen und die vermutete Artzugehörigkeit per Barcoding überprüft. Sie konnten in einem breit angelegten Vergleichstest, durchgeführt von 28 ökotoxikologischen Laboren aus 15 Ländern und vier Kontinenten, übereinstimmend zeigen, dass nur 17 der 28 Labore tatsächlich mit den von ihnen angegebenen Regenwurm-Arten der Gattung Eisenia arbeiteten. „An elf Instituten wurden die Tests de facto mit anderen Arten dieser Gattung durchgeführt“, fasst Pfenninger das Ergebnis der Studie zusammen. „Da nicht bekannt ist, inwieweit sich die fraglichen Arten in ihrer Reaktion auf die zu testenden Substanzen unterscheiden, stehen Ergebnis und Vergleichbarkeit von Tests in Frage, wenn diese nicht eindeutig mit denselben Arten durchgeführt werden“, erläutert Römbke die Problematik.
Darüber hinaus wurde in der Studie auch die Existenz einer so genannten „kryptischen Art“ in den Laboratorien nachgewiesen, die sich zwar morphologisch nicht von einer der beschriebenen Kompostwurm-Arten unterscheidet, jedoch genetisch eine eigene Spezies darstellt. „Hinweise auf diese Art gab es bereits, wir konnten sie aber erstmals belastbar belegen“, ergänzt Pfenninger.
Die Resultate der Studie werden jetzt Standardisierungsorganisationen wie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Internationalen Organisation für Normung (ISO) vorgelegt. „Unser Ziel ist es, das DNA-Barcoding als Methode zur eindeutigen Identifizierung der für die Tests verwendeten Arten in den internationalen Richtlinien zu etablieren. Wir erhoffen uns so die Qualität ökotoxikologischer Routinetests zu verbessern und sicherzustellen, dass deren Ergebnisse weltweit vergleichbar sind“, erklärt Pfenninger.