Wirkungen von Substanzen in sehr niedrigen Konzentrationen besser vorhersehen

17.03.2015 - Deutschland

In der Öffentlichkeit und Wissenschaft wird derzeit intensiv diskutiert, ob Substanzen in niedrigen Konzentrationen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Menschen führen können. Deshalb werden vermehrt experimentelle Studien zur Prüfung solcher Effekte mit unterschiedlichen Chemikalien durchgeführt. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass schon geringe Mengen von Benzo[a]pyren Effekte auf das Proteinmuster und damit den Stoffwechsel und die Signalwege in einer Zelle ausüben, obwohl die Konzentration um das Hundertfache unter derjenigen liegt, die eine Zelle absterben lässt. Zu diesem Ergebnis kommen Untersuchungen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Technischen Universität Dresden und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die jetzt im Journal of Proteome Research veröffentlicht wurden. Die Analyse von vernetzten Signalwegen unter Berücksichtigung verschiedener sogenannter „omics“-Technologien ist dabei deutlich besser zur Beschreibung und zum Monitoring von unerwünschten Wirkungen geeignet als die bisher verwendeten einzelnen Biomarker.

Die Wissenschaftler haben die Wirkung von Benzo[a]pyren als Modellsubstanz in Zellkulturen genauer untersucht. Benzo[a]pyren ist eine der am längsten bekannten und untersuchten krebserregenden Substanzen. Nach heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand gibt es keine Dosis ohne Wirkung, d.h. dass jede Menge schädlich sein kann. Idealerweise sollten Verbraucher mit solchen Stoffen überhaupt nicht in Kontakt kommen. Die Gehalte der Substanz in einem Lebensmittel sind so weit zu minimieren, wie dies „vernünftigerweise“ möglich ist („as low as reasonably achievable“). Dieser Ansatz wird als ALARA-Prinzip bezeichnet. Benzo[a]pyren ist ein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff, der bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Stoffen entsteht. Er ist daher weit verbreitet und zum Beipiel auch im Rauch von Zigaretten oder in gegrilltem Fleisch zu finden.

Leberzellen der Maus wurden 24 Stunden lang sowohl einer toxischen als auch einer Benzo[a]pyren-Konzentration, die deutlich unter einer Schwelle lag, bei der in der Regel Veränderungen in der Zellkultur festgestellt werden, ausgesetzt. Anschließend wurden die Veränderungen in den Proteinen und Stoffwechselprodukten der Zellen analysiert. Auf diese Weise wurden bei einer für die Zelle toxischen Konzentration 190 Proteine identifiziert, die sich unter Behandlung mit Benzo[a]pyren in ihrer zellulären Menge veränderten. Bei einer Konzentration von lediglich 50 Nanomolar (Nanomol pro Liter) Benzo[a]pryren waren es immerhin noch 150 veränderte Proteine. Die Wirkungen von in der Regel nicht zelltoxischen Konzentrationen waren im Falle des Benzo[a]pyrens deutlich nachweisbar und nicht durch Wirkungen von direkt toxischen Konzentrationen vorhersagbar.

Durch die Erfassung von tausenden Proteinen und hunderten Stoff-wechselprodukten können die chemikalieninduzierten Prozesse in den Zellen im Detail beschrieben werden. Die große Anzahl von erfassten Molekülen erlaubt es, auf der Basis von bekannten funktionalen Zusammenhängen die zelluläre Reaktion auf der Ebene der physiologischen Signalwege zu erfassen. Da hierfür eine Vielzahl von verschiedenen Proteinen und Stoffwechselprodukten zusammengefasst werden, wird die Aussage zu einem Signalweg deutlich robuster und verlässlicher, als dies die Messung eines einzelnen Proteins erlauben würde. Die Beschreibung der Wirkung von unerwünschten Stoffen mittels dieser Technik wird auch als Toxicoproteomics bezeichnet.

Benzo[a]pyren ist einer von 105 Stoffen, die von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als krebserregend eingestuft sind. Schätzungen gehen davon aus, dass beispielsweise jeder US-Bürger im Schnitt 200 Nanogramm pro Tag davon aufnimmt. Aufgrund der krebserregenden Wirkung und weiten Verbreitung dieses Stoffes besteht ein großes Interesse, die Mechanismen, die dahinter stehen, besser zu verstehen. Das Vorkommen von Benzo[a]pyren, das auch auf natürliche Weise bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Stoffen entsteht, ist heutzutage unvermeidbar. Die in dem Forschungsprojekt genutzte neue Methode bestätigt, dass Konzentrationen von Benzo[a]pyren im Idealfall so weit zu minimieren sind, wie dies „vernünftigerweise“ möglich ist, um gesundheitsschädliche Wirkungen zu vermeiden. Toxicoproteomics-Methoden sollen in Zukunft vermehrt auch für die Analyse der Wirkungen von ausgewählten Modellsubstanzen sowohl für Leber- als auch Immunzellen verwendet werden.

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