Bioelektrische Chemieanlagen könnten klassische Petrolchemie ablösen

10.03.2015 - Deutschland

Die „Elektrifizierung“ der Weißen Biotechnologie ist kein grüner Traum, sondern eine Alternative zur Petrolchemie mit realistischem ökonomischen Potenzial. Im Vergleich mit der zuckerbasierten Bioproduktion seien bioelektrochemische Prozesse bereits jetzt zum Teil wettbewerbsfähig. Die nächste Generation dieser Chemieanlagen könnte daher nicht nur wesentlich umweltfreundlicher, sondern auch kosteneffizienter werden. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des UFZ und der University of Queensland, die erstmals die ökonomischen Chancen dieses neuen Zweiges der Biotechnologie untersucht und die Ergebnisse im Fachblatt „ChemSusChem“ veröffentlicht haben.

Im Gegensatz zur Energie- und Kraftstoffbranche, die zum Großteil durch staatliche Ziele geprägt ist, wird die Chemieindustrie ausschließlich von Marktmechanismen dominiert. Firmen und Kunden sind bisher größtenteils nicht bereit, einen Mehrpreis für „grüne“ Produkte zu bezahlen. Dies hat zur Folge, dass die Produktion von bio-basierten Chemikalien gegenüber der traditionellen erdölbasierten Produktion billiger sein oder einen Zusatznutzen haben muss. Bei gleichen Kosten dagegen setzen Firmen meist auf die bewährten Produktionswege und -verfahren. Trotzdem wird der Anteil der „grünen“ an der gesamten Chemieproduktion bis 2025 deutlich steigen, so die Prognosen verschiedenster Institutionen. Dieser große Markt steht im Mittelpunkt der sogenannten Weißen Biotechnologie, die biotechnologische Methoden für industrielle Produktionsverfahren einsetzt und von der roten (Medizin) sowie grünen Biotechnologie (Pflanzen) abgegrenzt wird.

Treibstoffe und Chemikalien können bioelektrochemisch produziert werden. Dazu werden mikrobielle Synthesen durch elektrischen Strom angetrieben und gesteuert, was neue Möglichkeiten eröffnet. Trotzdem ist diese „Elektrifizierung“ der weißen Biotechnologie nicht leicht zu erreichen, da biochemische und elektrochemische Reaktionen unterschiedliche Prozessbedingungen bevorzugen. Deshalb besteht noch ein erheblicher Bedarf an systematischer Forschung und Entwicklung, um diese Technologie für den Markt verfügbar zu machen, wie die Forscher in ihrer Arbeit darlegen.

Um die ökonomischen Chancen dieses relativ neuen Ansatzes abzuschätzen, betrachteten die Forscher einen etablierten Prozess zur Biosynthese und verglichen diesen mit der entsprechenden Bioelektrosynthese. Als Modellprozess wählten sie die Lysinproduktion, welche konventionell auf Zuckern oder komplexen Substraten, wie beispielsweise auf Saccharose aus Zuckerrüben oder Melasse basiert. Lysin ist ein Massenprodukt, von dem 2013 über 1,9 Millionen Tonnen hergestellt wurden. Diese Aminosäure wird als Zusatz in Futtermitteln oder in Schmerzmitteln verwendet und erzielte Preise zwischen 1,6 und 2,4 US-Dollar pro Kilogramm. Die Forscher verglichen nun die Substratkosten für eine solche konventionelle Biosynthese (auf Saccharose basierend) mit der Bioelektrosynthese, bei welcher neben Saccharose auch elektrische Energie als Substrat eingesetzt wird. Durch unterschiedliche Rohstoffpreise für Saccharose in der EU und in den USA ergaben sich für beide Szenarien unterschiedliche Kosten: Unter Annahme aktueller Marktpreise würde die bioelektrochemische Produktion von 30 Tonnen Lysin, was einem typischen Produktionsansatz entspricht, demnach in der EU etwa 21.500 US-Dollar und in den USA etwa 16.700 US-Dollar kosten. Gegenüber der klassischen Biosynthese ergäben sich durch die neue, effizientere Produktionsmethode Kosteneinsparungen von 8,4% in der EU und 18,0% in den USA. „Dabei werden potentielle Ersparnisse durch den geringeren Bedarf an Produktreinigung aufgrund der verringerten Nebenproduktproduktion noch nicht einmal berücksichtigt“ ergänzt Dr. Jens Krömer von der Universität Queensland. „Wenn man spekuliert und dies auf einen Zeithorizont von zehn Jahren umrechnet, macht dies bei einer Anlage mit einer Jahresproduktion von 50.000 Tonnen immerhin 30 Millionen US-Dollar in der EU bzw. 50 Millionen US-Dollar in den USA aus. Dabei müssen allerdings noch die zusätzlichen Investitionskosten, welche bisher nicht abgeschätzt werden können, abgezogen werden. Nichtsdestotrotz zeigt dieses Beispiel, dass die bioelektrische Produktion von Chemikalien also auch ökonomisch interessant werden kann“, erklärt Dr. Falk Harnisch vom UFZ.

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