Genetischer Fingerabdruck von Darmbakterien
Philipp Rausch
Bei den Analysen wurde nur ein kleiner Abschnitt des Gens analysiert. Beim so genannten „Barcoding“ vergleichen die Forschenden genetische Merkmale, die bei allen untersuchten Individuen vorkommen, dabei aber zwischen Individuen variieren können. Untersucht wurde so das 16S rRNA-Gen, wobei gleichzeitig genomische (DNA) und exprimierte Versionen (RNA) des Gens sequenziert wurden. Dieses nur langsam mutierende Gen ist gut geeignet, um Bakterienarten voneinander zu unterscheiden. Durch die Analyse von DNA und RNA war es zusätzlich möglich, nicht nur die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften zu untersuchen, sondern auch deren Aktivität zu berechnen. Ateequr Rehman, Erstautor der Studie, erläutert die Funktionsweise: „Man kann vereinfacht sagen, dass das 16S rRNA-Gen ein genetischer Fingerabdruck, oder Barcode der Bakterien ist.“ Das Team untersuchte Darmbiopsien von Menschen aus Deutschland, Litauen und Indien. Mit Hilfe des 16S rRNA-Barcoding konnten die Forschenden schließlich feststellen, welche Bakterienarten und in welcher Anzahl sie vorkamen und wie aktiv diese bei den Untersuchten waren. So stießen sie auf deutliche Unterschiede zwischen Europa und Asien, die sich am stärksten in den aktiven Bakteriengemeinschaften abzeichneten. Auch die verschiedenen Krankheiten zeigen Unterschiede, bei Morbus Crohn-Erkrankten ist zum Beispiel ein Absinken der Diversität in allen Bakterienpopulationen zu verzeichnen.
Eine spezielle Bakterienart, Papillibacter, fanden die Forscherinnen und Forscher vor allem bei gesunden Menschen, und zwar sowohl bei den europäischen wie auch bei den indischen Probengebern. Diese Bakterienart produziert kurzkettige Fettsäuren, die sehr wichtig für die Darmgesundheit sind. Menschen, die an einer CED leiden, haben deutlich weniger Papillibacter in ihrem Darm. Zusätzlich sind die vorhandenen Bakterien inaktiver als bei Gesunden. Dazu Clustermitglied und Projektleiter Professor Stephan Ott: „Das Mikrobiom ist eigentlich ein zusätzliches Organ, welches wir in uns tragen. Dieses Organ kann sich verändern, durch falsche Ernährung, Stress oder Medikation. Dadurch kann es anfälliger werden für Infektionen, die langfristig auch chronische Erkrankungen verursachen können.“
Das menschliche Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikrolebewesen, die auf oder im Menschen leben. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet das Mikrobiom insbesondere die Bakterienvergesellschaftung im Darm. Dieses komplexe System gewinnt zunehmend an Bedeutung, da das Mikrobiom vermutlich für zahlreiche Steuerungsprozesse im Körper mitverantwortlich ist. Bisher sind allerdings noch nicht alle Prozesse innerhalb dieses komplexen Systems bekannt. Die vorliegende Studie erweitert das Wissen zur Dynamik mikrobieller Gemeinschaften in chronischen Entzündungskrankheiten und deren Unterschiede in verschiedenen Weltregionen.