Röntgenlaser durchleuchtet lebende Bakterien

Hochgeschwindigkeitstechnik liefert Bilder mit unerreichter Auflösung

17.02.2015 - Deutschland

Ein internationales Forscherteam hat erstmals mit dem weltstärksten Röntgenlaser lebende Bakterienzellen durchleuchtet. Die verwendete Methode erreicht eine höhere räumliche und zeitliche Auflösung als optische Mikroskopieverfahren und bietet zudem die Chance, detaillierte dreidimensionale Modelle der Zelle zu erstellen. Das Team unter Leitung von Wissenschaftlern der Universität Uppsala in Schweden und mit Beteiligung von DESY und European XFEL stellt seine Untersuchungen im Fachjournal „Nature Communications“ vor. Die verwendete Technik eröffnet Forschern einen besseren Blick in die komplizierte Welt der Zelle.

Gjis van der Schot/Universität Uppsala

Röntgenstreubild, aus dem die Bilder des Cyanobakteriums rekonstruiert wurden.

Gjis van der Schot/Universität Uppsala

Differentialinterferenzkontrast-Bild desselben Cyanobakteriums, berechnet aus der Rekonstruktion.

Gjis van der Schot/Universität Uppsala

Rekonstruktion eines Cyanobakteriums aus dem Röntgenstreubild.

Gjis van der Schot/Universität Uppsala
Gjis van der Schot/Universität Uppsala
Gjis van der Schot/Universität Uppsala

Üblicherweise sind biologische Zellen tot und chemisch fixiert, wenn sie mit Röntgenstrahlung untersucht werden. „Wenn man die Details der Funktionsweise einer Zelle ganz verstehen will, braucht man sie lebend“, betont Prof. Janos Hajdu von der Universität Uppsala, einer der leitenden Wissenschaftler bei diesem Experiment. Zu diesem Zweck sprühten die Wissenschaftler lebende Cyanobakterien in einem feinen Nebel (Aerosol) in den Strahl des Röntgenlasers LCLS am US-Forschungszentrum SLAC in Kalifornien. Treffen die ultrakurzen Röntgenblitze des Lasers auf eine Bakterienzelle, werden sie in charakteristischer Weise gestreut. Aus dem Streubild, das von einem Hochleistungsdetektor aufgezeichnet wird, lässt sich die räumliche Struktur der untersuchten Zelle berechnen und somit ein Abbild rekonstruieren.

„Obwohl die Röntgenstrahlung die Zellen zerstört, lassen sich mit den ultrakurzen und sehr hellen Blitzen eines Röntgenlasers Streubilder schnell genug aufnehmen, um ein korrektes Bild der Probe zu gewinnen, bevor sie verdampft“, betont DESY-Forscher Dr. Anton Barty vom Center for Free-Electron Laser Science, einer der Ko-Autoren der Studie. „Die Blitze sind schneller als die Zerstörung.“ Dieses Prinzip der „Streuung vor Zerstörung“ (diffraction before destruction) ist in verschiedenen anderen Experimenten bereits belegt worden.

Für ihre Untersuchung nutzten die Forscher zwei Arten von Cyanobakterien, Cyanobium gracile und Synechococcus elongatus. Diese Bakterien haben eine zylindrische Form, die auf den aus den Daten berechneten Bildern deutlich zu erkennen ist. Tatsächlich könnten die Aufnahmen sogar noch besser sein, betont der Leiter des Experiments, Prof. Tomas Ekeberg von der Universität Uppsala. Denn die Datenflut war größer als die Detektoren bewältigen konnten, so dass eine Art Überbelichtung entstand. „Wir können bislang nur bis zu einer Auflösung von 76 Nanometern exakt rekonstruieren. Aber die gesammelten Daten deuten darauf hin, dass wir bis hinunter zu 4 Nanometern gehen können, das ist die Größe eines Proteinmoleküls“, sagt Ekeberg. Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter.

„Dieses Experiment war eine Machbarkeitsstudie“, betont Ekeberg. „Wir können deutlich höher aufgelöste Bilder gewinnen, wenn wir Filter benutzen, um die Überbelichtung zu vermeiden,“ ergänzt sein Doktorand Gijs van der Schot, Hauptautor der Studie.

Hochaufgelöste Röntgenbilder von biologischen Zellen benötigen üblicherweise eine lange Belichtungszeit und eine millionenfach höhere Strahlungsdosis als die Zelle lebend überstehen kann. Daher stammt ein großer Teil des heutigen Wissens über die hochaufgelöste Struktur biologischer Zellen aus toten, sogenannten chemisch fixierten Proben.

Die in der neuen Studie verwendete Methode kann dagegen die Struktur lebender Zellen schneller erfassen, als die Strahlenschäden entstehen. Jede Aufnahme entsteht in Femtosekunden. Eine Femtosekunde ist eine millionstel milliardstel Sekunde. Auf diese Weise kann die neue Methode Forschern helfen, manche Rätsel der Zellfunktion besser zu verstehen. Darüber hinaus eröffnet das Verfahren die Möglichkeit, Zellen und die Zellaktivität dreidimensional zu modellieren, und damit wichtige Einblicke in fundamentale Prozesse zu erhalten, die etwa für die Infektionsforschung von Bedeutung sind.

„Das ist eine vielversprechende Methode für den European XFEL“, sagt Ko-Autor Joachim Schulz vom künftigen europäischen Röntgenlaser European XFEL, der zurzeit vom DESY-Gelände in Hamburg-Bahrenfeld bis in die benachbarte Stadt Schenefeld in Schleswig-Holstein gebaut wird. „Das Verfahren erschließt neue Möglichkeiten, Bilder von lebenden Organismen in schneller Folge zu gewinnen.“ Der European XFEL wird ultrakurze und extrem helle Röntgenblitze mit einer 300 Mal höheren Pulsrate erzeugen als die heute besten Röntgenlaser.

Die Forschergruppe will das Verfahren nun in weiteren Experimenten verbessern und insbesondere eine höhere räumliche Auflösung der Bilder erreichen. Darüber hinaus erwarten Ekeberg und van der Schot, dass künftige Arbeiten etwa die Zellteilung in 3D untersuchen und spezielle Strukturinformationen aus den Zellen für die Bioinformatik liefern.

„Der Unterschied zwischen Bildern, die mit dieser Technik produziert wurden, und solchen aus der konventionellen optischen Mikroskopie von lebenden Zellen ist enorm“, betont Hajdu. „Kaum jemand hat erwartet, dass dies möglich ist.“

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