Äpfel nicht mit Birnen vergleichen: Medizinprodukte sind keine Arzneimittel
Übertragung der Arzneimittelregularien führt nicht zu mehr Patientensicherheit
Ein anderer Sektor der Gesundheitsindustrie, die Medizintechnik, sieht sich derzeit starkem politischem Druck ausgesetzt. Dabei gehen die Überlegungen genau dahin, das Europäische Rechtssystem für Medizinprodukte immer weiter den Regularien für Arzneimittel anzupassen. Dieses „copy-paste-Schema“ stellt der Branchenverband SPECTARIS in Frage: „Medizinprodukte haben meist eine physikalische Wirkung, Arzneimittel eine pharmakologische oder metabolische. Ein einfaches Medizinprodukt wie etwa ein Skalpell, hat die Zweckbestimmung Gewebe zu schneiden. Die physische Auswirkung auf den Patienten hängt aber zusätzlich auch von der Operationsmethode und dem Vorgehen des Arztes ab“, so SPECTARIS-Geschäftsführer Tobias Weiler. So sei bei der Zertifizierung von Medizinprodukten deren Sicherheit und Funktionstüchtigkeit anhand klinischer Daten nachzuweisen. Dafür dürfe das Medizinprodukt mit dem „CE-Zeichen“ gekennzeichnet werden, welches die Einhaltung und Überprüfung aller gesetzlichen Anforderungen bestätige. „Im Grundsatz habe sich dieses Verfahren in Europa jahrzehntelang bewährt“, so Weiler weiter.
Generell unterstützen gerade auch die deutschen Branchenvertreter die Verbesserung des bestehenden Systems, etwa die Angleichung der Qualität der überprüfenden Stellen (so genannte „Benannten Stellen“ wie z.B. der TÜV) auf einem hohen, europaeinheitlichen Niveau. In Punkto Patientensicherheit dürfe es keine Kompromisse geben. „Kriminelles Handeln, wie beim PIP-Brustimplantateskandal, muss geahndet werden, gesetzliche Vorgaben und ethische Normen sind einzuhalten“, hält Weiler fest. Der PIP-Skandal wäre durch eine staatliche Zulassung über die EMA genauso wenig zu verhindern gewesen, hier würden nur stärkere Marktkontrollen helfen. Die EU-Kommission habe bereits seit einem Jahr verfügt, dass Hersteller unangekündigt überprüft werden. Die Benannten Stellen würden jährlich mit über 5.000 solcher zusätzlichen Audits bei Herstellern rechnen. „So wie Geschwindigkeitskontrollen im Straßenverkehr werden unangekündigte Audits schwarze Schafe oder kriminelles Vorgehen im Markt identifizieren“, so Weiler.
Auch wenn eine zusätzliche und neue staatliche Zulassungsbehörde für Medizinprodukte vom Tisch zu sein scheint, so will das Parlament derzeit immer noch die EMA für sogenannte Hochrisikoprodukte verpflichten. Die europäische Medizintechnik-Branche mit über einer halben Million Arbeitsplätzen betrachtet das mit Sorge, auch unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit für Patienten. Wenn bewährte Produkte vom Markt verschwinden oder Innovationen gar nicht erst zum Patienten kommen, ist das kein Garant für mehr Patientensicherheit. Diese Entwicklung sieht der Verband unweigerlich auf die Bevölkerung zukommen, wenn der Bürokratismus am Ende nur noch Produkte umsatzstarker Unternehmen durchkommen lässt, da diese über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Wer fehlende Lösungen für Nischenanwendungen beklage, wie bei der Ebola-Epidemie, dürfe diese nicht durch bürokratische Hürden unmöglich machen. Nischenanwendungen seien etwa minimalinvasive Eingriffe am Gehirn, Implantate, die bestimmten Blinden wieder Seheindrücke vermitteln oder auch viele pädiatrische Eingriffe. Viele dieser Anwendungen kommen aus dem Hause mittelständischer Unternehmen.
Seit über zwei Jahren wird ein etwa 200-seitiger Verordnungsentwurf für Medizinprodukte seitens der EU-Kommission, von Parlament, Ministerrat und Interessenvertretern diskutiert. Die Unternehmen der Branche sowie die betreffenden Verbände plädieren hierbei für Qualität, Augenmaß und Besonnenheit.