Im Gehirn läuft nicht alles glatt
Wissenschaftler entschlüsseln, welche Rolle Nanostrukturen bei der Funktion des Nervensystems spielen
Nils Blumenthal und Prasad Shastri
Der Hippocampus gilt als das GPS-System des Gehirns: Er verarbeitet und speichert räumliche Informationen. Bei der Alzheimer-Krankheit bilden sich die Neuronen im Hippocampus zurück. Nehmen die umliegenden Moleküle oder Stützgerüst-Zellen eine zufällige, raue Struktur an, die Rüschen ähnelt, fördert und erhält dies die Kommunikation der Nervenzellen. „Lange nahmen Forscher an, dass nur biologische Signale die Gesundheit und die Funktion von Hirnzellen beeinflussen. Wir haben gezeigt, dass die Struktur der Moleküle, die diese Zellen umgeben, ebenso wichtig ist“, sagt Shastri.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Rauheit im Nanobereich innerhalb bestimmter Grenzen liegen muss. Gibt es mehr oder weniger der rauen Struktur, verändern sich die Nervenzellen so, dass sie ihre Funktion nicht mehr ausüben können. Shastris Team untersuchte menschliche Hirnzellen von Patientinnen und Patienten, die an Alzheimer erkrankt waren. Die Forscher entdeckten eine entscheidende Verbindung zwischen Regionen im Gehirn, in denen sich Beta-Amyloid angesammelt hatte, und unvorteilhaften Veränderungen in der Nanotopografie des Gewebes um die betroffenen Nervenzellen herum. Die Beschaffenheit der Oberfläche des Gewebes hatte sich verändert.
Das Team fand heraus, dass Astrozyten im Nanobereich eine physikalische Umgebung schaffen, die Nervenzellen brauchen, um gut zu funktionieren. Die Forscher setzten für ihre Experimente mit Neuronen synthetische Substrate mit unterschiedlicher Rauheit ein. „Unsere Entdeckung zeigt erstmals: Ionenkanäle, die auf Bewegungsreize reagieren, könnten Funktion und Erkrankung des zentralen Nervensystems beeinflussen. Die Ergebnisse deuten auf neue Angriffsziele für die Entwicklung von Medikamenten hin“, sagt Blumenthal. Moleküle, die ein mechanischer Reiz aktiviert, wie der Ionenkanal Piezo-1 in Hirnzellen von Mäusen, steuern das Zusammenspiel von Nanotopografie, Astrozyten und Nervenzellen. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass MIB-1 – das Gegenstück von Piezo-1 in den Zellen des Menschen – in menschlichen Alzheimer-Patienten verändert ist.
Prasad Shastri forscht am Institut für Makromolekulare Chemie und am Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg. Der Doktorand Nils Blumenthal wird von BIOSS gefördert. Bernd Heimrich forscht am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Albert-Ludwigs-Universität. Ola Hermanson arbeitet am Karolinska Institut der Universität Stockholm/Schweden.