Kernspin in Farbe
Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie
Bei der Lichtmikroskopie ist es eine Selbstverständlichkeit: Mit einer Vielzahl von Farbstoffen färbt man Proben ein, kann so verschiedene Zellstrukturen sichtbar machen oder gesundes von krankem Gewebe unterscheiden. Da Lichtstrahlen aber nicht weit in Gewebe eindringen, durchleuchten Ärzte ihre Patienten mit Radiowellen, wenn sie mit einem Kernspintomographen Aufnahmen machen. Der Nachteil dabei: Im Kernspin sieht man meist lediglich die Verteilung von Gewebswasser, besondere Zielstrukturen wie etwa kleine Mengen von Tumorzellen können die Ärzte in den schwarz-weißen Bildern nicht erkennen.
Das könnte sich einmal ändern, sollte sich die neue Technik der Xenon-Kernspintomographie durchsetzten, die derzeit von mehreren Arbeitsgruppen weltweit entwickelt wird. Der Gruppe um den Berliner Physiker Leif Schröder ist am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) nun in Zusammenarbeit mit Christian Freund von der FU Berlin ein wichtiger Durchbruch gelungen. Zum ersten Mal konnten die Berliner Wissenschaftler verschiedene Zelltypen so markieren, dass diese Radiowellen unterschiedlicher Frequenz aussenden. Ganz wie bei der Lichtmikroskopie generierten sie so Bilder, auf denen manche Zellen rot, andere grün leuchten.
Kernspinaufnahmen kommen zustande, wenn Atomkerne mit einem starken äußeren Magnetfeld in Wechselwirkung treten – der Patient wird dafür „in die Röhre geschoben“, welche den starken Magneten beinhaltet. In diesem Zustand treten manche Atomkerne mit Radiowellen in Resonanz, d.h. sie senden selbst Radiowellen aus, und durch schichtweise Aufnahmen entsteht ein dreidimensionales Bild. (Das Verfahren wird daher auch „Magnetresonanztomographie“, kurz MRT genannt.) Herkömmliche Kernspintomographen vermessen dabei die Kerne von Wasserstoffatomen, die im menschlichen Körper zwar allgegenwärtig sind, aber nur sehr schwache Signale aussenden. Die neue, von Leif Schröder entwickelte Technik nutzt dagegen das Edelgas Xenon, das weit stärkere Signale aussendet, wenn man seine Atomkerne zuvor mittels Laserstrahlen in einen „hyperpolarisierten“ Zustand versetzt. Das Gas, sonst eher aus Autoscheinwerfern bekannt, ist harmlos und völlig ungiftig. Bei einer klinischen Anwendung könnten es die Patienten inhalieren und so im Körper verteilen.
Für wirklich interessante Aufnahmen müsste man allerdings mit dem Edelgas besondere Zielstrukturen markieren – etwa krankhaft entartete Zellen oder auch Ablagerungen in den Arterien. Die Berliner Forscher haben dafür verschiedene molekulare „Container“ entwickelt, die das Xenon einfangen, und die sich wiederum leicht als Sonden im menschlichen Körper einsetzen lassen. Heftet sich ein solches Kontrastmittel an eine gesuchte Zelle im Körper, dann fischt es fortan Xenonatome aus der Umgebung, die von dort Radiowellen einer bestimmten Frequenz ausstrahlen. In der aktuellen Arbeit setzten die Berliner Forscher zwei unterschiedliche Container gleichzeitig ein, durch die das Xenon dann Radiowellen mit unterschiedlicher Frequenz aussendet – manche Zellen sahen im Bild dadurch grün, andere rot aus.
Die Arbeit wurde im Fachjournal Nano Letters veröffentlicht und kürzlich auf dem World Molecular Imaging Congress vorgestellt. „Stefan Klippel als federführender Doktorand ist dort für diese Arbeiten mit einem Stipendium ausgezeichnet worden“, berichtet Leif Schröder erfreut. Die Möglichkeit eines Anfärbens von Zellen für mehrfarbige Kernspinaufnahmen wird schon länger propagiert, scheiterte aber bislang an der zu geringen Empfindlichkeit der Technik. „Wir haben durch unsere jahrelange Entwicklungsarbeit die nötige Sensitivität erreicht und können nun verschiedene Kontrastmittel und Anwendungsmöglichkeiten testen“, sagt Leif Schröder. Eines der beiden in dem Versuch verwendeten Kontrastmittel ist bereits klinisch erprobt, da es auch bei Ultraschall-Diagnostik eingesetzt wird.
Für die neue Art der Kernspintomographie ist eine Vielzahl künftiger Anwendungsmöglichkeiten denkbar. Zum Beispiel ließen sich damit in den Körper transplantierte Zellen verfolgen oder Tumore lokalisieren und in ihrer zellulären Zusammensetzung darstellen. Auf diese Weise könnten die neuartigen Kernspin-Aufnahmen zu einer personalisierten Therapie beitragen.