Grundgerüst für neue Tuberkulose-Medikamente

03.07.2014 - Schweiz

In den letzten 50 Jahren ist lediglich ein neues Tuberkulose-Medikament auf den Markt gekommen. Mehr neue Wirkstoffe wären aber dringend notwendig: Gängige Therapien scheitern zunehmend an multiresistenten Erregern. ETH-Forschende haben nun ein Grundgerüst für neue Medikamente zum Patent angemeldet.

Die Schwindsucht galt im 18. Jahrhundert als die schlimmste der damals bekannten Seuchen. Dank Fortschritten der Medizin sind die Todesfälle durch die heute unter dem Namen Tuberkulose bekannte Lungenkrankheit deutlich zurückgegangen. In den 1950er und 60er Jahren führten Bemühungen, die Krankheit auszurotten, zur Markteinführung einer ganzen Reihe neuer Medikamente.

Zur jetzigen Zeit sterben aber noch immer jährlich etwa 1,4 Millionen Menschen an Tuberkulose. Besonders gefährlich sind multiresistente Tuberkulose-Erreger, gegen die keines der gängigen Medikamente mehr nützt. «Seit etwa 50 Jahren ist lediglich ein neues Tuberkulose-Medikament auf den Markt gekommen, und auch das erst 2012», sagt Karl-Heinz Altmann, Professor für Pharmazeutische Biologie an der ETH Zürich. Dabei wären neue Wirkstoffe, welche auch die multiresistenten Erreger abtöten können, dringend notwendig. Altmann und sein Team haben nun den Grundstein für neue Tuberkulose-Medikamente gelegt, inspiriert von einem von Bakterien produzierten Wirkstoff namens Pyridomycin.

Neues Design für bessere Wirkung

Pyridomycin hemmt das Wachstum des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis, wird jedoch relativ schnell abgebaut und dadurch unwirksam. Angelehnt an die Struktur von Pyridomycin entwarfen Altmann und seine Forschungsgruppe ein Molekül, das gegenüber dem natürlichen Wirkstoff einige Vorteile besitzt: Es ist stabiler und lässt sich leichter künstlich herstellen. Ausserdem kann es als Grundstruktur dienen, um weitere Abwandlungsprodukte des Wirkstoffs zu synthetisieren und zu testen. So könnten letztendlich Medikamente entwickelt werden, die effizient wirken und gut verträglich sind. Auch kann der jeweilige Wirkstoff immer wieder angepasst werden, um neu entwickelte Resistenzen der Tuberkulose-Erreger zu umgehen. Die Forschenden haben die Wirkstoff-Grundstruktur sowie die Methode ihrer Herstellung zum Patent angemeldet.

Mit dem Pyridomycin nahmen sich die Forschenden einen lange vergessenen Wirkstoff zum Vorbild: Bereits 1953 entdeckten japanische Wissenschaftler, dass diese Substanz das Wachstum des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis hemmt. Der Stoff wurde aber jahrzehntelang nicht weiter untersucht. «Man hielt das Tuberkuloseproblem wohl für gelöst», vermutet Altmann. Bei einer Literaturrecherche stiess er wieder auf den Wirkstoff und entschlüsselte in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Stewart Cole, Professor für mikrobielle Pathogenese an der EPFL, dessen Wirkweise: Pyridomycin legt eine wichtige Komponente des Zellstoffwechsels lahm, welche für den Aufbau der Zellwand des Tuberkulose-Erregers essentiell ist. Zwar gibt es bereits ein Medikament namens Isoniazid, welches auf die gleiche Schwachstelle des Erregers abzielt, letzteres muss jedoch in den Tuberkulosebakterien zuerst in den eigentlichen Hemmstoff umgewandelt werden. Dagegen bindet Pyridomycin direkt an das Zielprotein und umgeht somit bestehende Resistenzen, die eine Aktivierung des Isoniazids verhindern. Das neue Wirkstoff-Grundgerüst ermöglicht eine grosse Vielfalt an Strukturen für neue Medikamente gegen Tuberkulose.

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