Neue Gene für bipolare Störung entdeckt

12.03.2014 - Schweiz

Erst himmelhoch jauchzend und dann wieder zu Tode betrübt – so stellen sich die extremen Stimmungswechsel für Menschen mit einer bipolaren Störung dar. Unter Leitung von Wissenschaftlern aus Bonn, Mannheim und Basel hat ein internationales Forscherteam zwei neue Genregionen identifiziert, die mit der verbreiteten manisch-depressiven Erkrankung zusammenhängen. Darüber hinaus konnten die Forscher drei weitere Verdachtsgene bestätigen. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal «Nature Communications» veröffentlicht.

Rund ein Prozent der Bevölkerung erkrankt im Laufe seines Lebens an einer bipolaren Störung, die auch als manisch-depressive Krankheit bekannt ist. Die Patienten durchlaufen eine wahre Achterbahn der Emotionen: Im extremen Wechsel erleben sie manische Phasen mit Grössenwahn, gesteigertem Antrieb und vermindertem Schlafbedürfnis sowie depressive Episoden mit stark gedrückter Stimmung bis hin zu Suizidgedanken.

Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht vollständig verstanden, jedoch haben über psychosoziale Auslöser hinaus genetische Faktoren einen grossen Anteil. «Für die Ausprägung einer bipolaren Störung hat nicht ein einzelnes Gen einen starken Effekt, sondern es sind offenbar sehr viele verschiedene Gene beteiligt, die mit Umweltfaktoren auf komplexe Weise zusammenwirken», sagt Prof. Sven Cichon, Direktor der Abteilung Medizinische Genetik am Universitätsspital Basel.

Erbgut-Daten von rund 24'000 Menschen

In den vergangenen Jahren war es den Wissenschaftlern bereits gelungen, mehrere Gene zu entschlüsseln, die mit der bipolaren Störung in Zusammenhang gebracht werden. Bei der Suche nach weiteren genetischen Risikoregionen nutzten die Forscher um Prof. Markus M. Nöthen vom Universitätsklinikum Bonn, Prof. Marcella Rietschel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim und Prof. Sven Cichon vom Universitätsspital Basel nun in einer internationalen Forschungskollaboration Patientenzahlen in bisher nicht gekannten Umfang: Es wurden neue Erbgut-Daten von 2'266 Patienten mit manisch-depressiver Erkrankung und 5'028 Kontrollpersonen gewonnen, mit bestehenden Datensätzen zusammengefügt und gemeinsam analysiert. Insgesamt wurden Daten über das Erbgut von 9'747 Patienten mit Daten von 14'278 gesunden Menschen verglichen.

Die Fahndung nach Genen, die an der manisch-depressiven Erkrankung beteiligt sind, gleicht einer Suche im Heuhaufen. «Die Beiträge einzelner Gene sind so gering, dass sie normalerweise im Grundrauschen genetischer Unterschiede nicht zu erkennen sind», erklärt Sven Cichon, Professor für Medizinische Genetik an der Universität Basel. «Erst wenn die DNA von extrem vielen Patienten mit bipolarer Störung gegen das Erbgut von einer ebenfalls sehr grossen Zahl an gesunden Menschen abgeglichen wird, schälen sich Unterschiede statistisch abgesichert heraus».

Zwei neue Genregionen entdeckt und drei bekannte bestätigt

Die Forscher erfassten mit automatisierten Analyseverfahren im Erbgut der Patienten und Vergleichspersonen jeweils rund 2,3 Millionen verschiedene genetische Marker. Die anschliessende Auswertung mit biostatistischen Methoden ergab insgesamt fünf Risikoregionen auf der DNA, die mit der bipolaren Störung in Zusammenhang stehen. Davon wurden zwei neu entdeckt: Das Gen «ADCY2» auf Chromosom fünf und die sogenannte «MIR2113-POU3F2»-Region auf Chromosom sechs. Drei bereits bekannte Risikoregionen «ANK3», «ODZ4» und «TRANK1» wurden bereits in vorangegangenen Studien beschrieben. «Diese Genregionen, die mit der bipolaren Störung zusammenhängen, wurden durch die aktuelle Untersuchung statistisch besser abgesichert», sagt die Psychiaterin Prof. Marcella Rietschel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.

Besonders interessieren sich die Forscher nun für die neu entdeckte Genregion «ADCY2». Sie codiert ein Enzym, das an der Weiterleitung von Signalen in Nervenzellen hinein beteiligt ist. «Das passt sehr gut zu Beobachtungen, dass bei Patienten mit bipolarer Störung die Signalübertragung in bestimmten Regionen des Gehirns beeinträchtigt ist», erklärt der Bonner Humangenetiker Prof. Markus Nöthen. Die Wissenschaftler klären mit ihrer Fahndung nach genetischen Regionen die biologischen Grundlagen der manisch-depressiven Krankheit Schritt für Schritt auf, dies mit dem Ziel, Ansatzpunkte für neue Therapien zu identifizieren.

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