Neue Strategie für den Einsatz „alter“ Antibiotika

Forscher entdecken, warum bakterielle Krankheitserreger das bewährte Antibiotikum Fosfomycin teilweise ins Leere laufen lassen

12.02.2014 - Deutschland

Die Ausbreitung multiresistenter Krankheitserreger gilt in der medizinischen Fachwelt und der breiten Öffentlichkeit inzwischen gleichermaßen als eine gravierende Bedrohung. Entsprechend ist der Ruf nach neuen schlagkräftigen Antibiotika in den vergangenen Jahren immer lauter geworden. Doch die Entwicklung neuer Wirkstoffe ist nicht nur teuer, sondern auch sehr langwierig. Konzentrieren sich Wissenschaftler auf die Optimierung bereits vorhandener Therapien, kann wertvolle Zeit gewonnen werden.

Diesen Weg eröffnet die Arbeitsgruppe von Professor Christoph Mayer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen, die zum Sonderforschungsbereich „Die bakterielle Zellhülle“ (SFB 766) gehört. In Kooperation mit der Graduiertenschule Chemische Biologie der Universität Konstanz und gefördert durch ein Dr. Marietta Lutze-Stipendium der Firma Dr. Kade entdeckten die Forscher, wie krankheitserregende Bakterien der Gattung Pseudomonas einen wichtigen Baustein ihrer Zellwand recyceln und dabei die Wirkung des Antibiotikums Fosfomycin umgehen. Die Wissenschaftler haben durch die Aufklärung dieser „inneren“ Resistenz Ansatzpunkte für den effizienteren Einsatz des Wirkstoffs gefunden.

Bakterien der Gattungen Pseudomonas und Acinetobacter verursachen vor allem in Krankenhäusern vielfach Wundinfektionen, lebensbedrohliche Lungen- und Hirnhautentzündungen sowie teilweise tödliche Blutvergiftungen (Sepsis) und besitzen eine hohe „innere“ Resistenz gegenüber einer Vielzahl antibiotischer Wirkstoffe. Die Zellhülle der Bakterien ist anders aufgebaut als die äußere Membran menschlicher Zellen. Vor allem enthalten die Bakterien Zellwände aus Peptidoglykan, ein aus Zuckern und Aminosäuren zusammengesetztes Makromolekül, das große Netzwerke bildet und der Zelle hohe mechanische Stabilität verleiht. Für Bakterien ist die Peptidoglykan-Herstellung unerlässlich. Daher stellt dieser Stoffwechselweg allgemein ein wichtiges Angriffsziel für antibiotische Wirkstoffe dar. Wenn die Bakterien keine neuen Zellwände bilden können, können sie sich auch nicht vermehren – die Infektion wird gestoppt.

Das Antibiotikum Fosfomycin beispielsweise verhindert den Aufbau der bakteriellen Zellhülle, indem es die Herstellung einer Vorstufe des Peptidoglykans hemmt. Die Wissenschaftler entdeckten jedoch, dass die Pseudomonas-Bakterien die Vorstufen nicht immer neu bilden, sondern teilweise auch die vorhandenen als Bausteine wiederverwenden. Die Peptidoglykan-Vorstufen umgehen durch einen „Bypass“ den durch Fosfomycin gehemmten Schritt bei der Neubildung und schränken so die Wirksamkeit des Antibiotikums stark ein: nach Berechnungen werden circa 50 Prozent der Vorstufen aus Recyclingmaterial gebildet.

Die Wissenschaftler wollten im nächsten Schritt herausfinden, ob der neu entdeckte Recyclingweg die Wirksamkeit des Fosfomycins beeinflusst. In Pseudomonas-Bakterienstämmen machten sie zwei neuartige Gene ausfindig, die im Recyclingweg notwendig waren und schalteten sie im Versuch unter Laborbedingungen aus. Dadurch konnten sie die „innere“ Resistenz gegen Fosfomycin überwinden, das Antibiotikum wirkte deutlich effizienter. Recherchen der Wissenschaftler ergaben, dass die untersuchten Gene bei einer Vielzahl von Bakterien, darunter vielen Krankheitserregern, zu finden sind. Sie alle können vermutlich den Recyclingweg nutzen und damit die Wirkung von Fosfomycin abschwächen.

Anders als im Labor lassen sich Gene in der Natur oder in den Bakterien eines infizierten Menschen nicht einfach ausschalten. Dafür bieten jedoch die Genprodukte, die Enzyme, gute Angriffspunkte für zusätzliche Medikamente. „Wir kennen nun wichtige Ansatzpunkte, um die Wirkung von Fosfomycin zu optimieren. Sinnvoll wäre es, das Antibiotikum durch einen passenden Wirkstoff zu ergänzen, der das Peptidoglykan-Recycling hemmt“, erklärt Christoph Mayer. Seiner Einschätzung zufolge könnte die rationale Kombination bekannter Antibiotika mit neuen Wirkstoffen ein vielversprechender Ansatz bei der Entwicklung neuer Therapien darstellen.

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