Saarbrücker Sportmediziner bezweifeln hohen Einfluss des „Sport-Hormons“ Irisin

29.11.2013 - Deutschland

Vor knapp zwei Jahren hatte ein Nature-Artikel von US-Forschern über ein neu entdecktes Hormon hohe Wellen geschlagen. Die Wissenschaftler glaubten, mit Irisin ein „Sport-Hormon“ gefunden zu haben, das bei körperlicher Aktivität den Kalorienverbrauch erhöht und auch danach im Ruhezustand den Fettabbau vorantreibt. Sportmediziner der Universität des Saarlandes haben diesen hohen Einfluss von Irisin auf den menschlichen Stoffwechsel jetzt in Frage gestellt. In einer breit angelegten Trainingsstudie unterschied sich nach einem halben Jahr die Irisin-Konzentration der trainierenden Versuchspersonen nicht von der einer Kontrollgruppe. Der Traum von einem therapeutischen Einsatz des Hormons für übergewichtige Menschen scheint damit vorerst geplatzt.

Die Saarbrücker Sportmediziner forschen daran, wie sich durch sportliche Aktivitäten der Stoffwechsel im Körper verändert. Nachdem vor einem Jahr die Erfolgsmeldung der amerikanischen Elite-Universität Harvard kam, dass man einen neuen Botenstoff entdeckt habe, nahmen auch die Saarbrücker Wissenschaftler dieses Hormon ins Visier. „Der Botenstoff Irisin wurde von den US-Kollegen in hohem Maß für den Nachbrenneffekt verantwortlich gemacht. Damit meint man das Phänomen, dass der Körper auch nach einer sportlichen Betätigung Energie verbraucht und im Ruhezustand zusätzliche Kalorien verbrennt“, erläutert Dr. Anne Hecksteden, Wissenschaftlerin am Institut für Sport- und Präventivmedizin der Saar-Uni. Man habe Irisin daraufhin als neues „Sport-Hormon“ gefeiert, das eines Tages möglicherweise als Wirkstoff eingesetzt werden könnte, um Menschen auch ohne Sportprogramm vor Fettleibigkeit und Diabetes zu schützen. „Diese Erkenntnisse basierten aber vor allem auf Experimenten an Mäusen und lebenden Zellen im Reagenzglas. Eine Untersuchung mit Testpersonen, die in dem Nature-Artikel der US-Forscher auch zitiert wurde, war wegen der geringen Teilnehmerzahl und der fehlenden Kontrollgruppe weniger überzeugend“, ergänzt Hecksteden.

Um die Ergebnisse der amerikanischen Forscher zu überprüfen, konnten die Saarbrücker Sportmediziner auf eine breit angelegte Trainingsstudie zurückgreifen, die vor einem Jahr mit über 250 Versuchspersonen im Saarland durchgeführt wurde. Bei der „Saarländischen Ausdauer-Etappe“, kurz Sause genannt, haben die trainierenden Teilnehmer ein halbjähriges Trainingsprogramm absolviert und wurden anschließend mit einer zufällig ausgewählten Kontrollgruppe verglichen, die ihren vorherigen Lebensstil beibehalten hatte. Erhoben wurden verschiedene Messwerte, die Aufschluss geben über gesundheitliche Effekte, etwa die körperliche Leistungsfähigkeit, der Blutdruck und die Blutfette.

„Wir haben anhand dieser Daten aus der Sause-Studie nachweisen können, dass sich der Botenstoff Irisin durch sportliche Aktivitäten längst nicht so eindeutig erhöht wie es die amerikanischen Forscher behauptet haben. Ihre Ergebnisse aus Versuchen an Zellkulturen und Mäusen lassen sich nicht direkt auf den Menschen übertragen“, betont die Sportmedizinerin. Die höheren Werte, die bei den Versuchspersonen der US-Wissenschaftler nach sportlicher Betätigung aufgetreten waren, führt Anne Hecksteden auf Veränderungen in den gelagerten Blutproben zurück. „Irisin ist in den Serumproben nicht stabil. Das mussten auch wir bei unseren Auswertungen feststellen. Wenn Blut längere Zeit im Gefrierschrank gelagert wird, verändert sich dieses, so dass man bei der Auswertung der Proben genau darauf achten muss, ob es zwischen Eingangs- und Abschlusstest einen Unterschied in der Lagerungsdauer gegeben hat“, erläutert die Sportmedizinerin.

Das US-Team um Bruce Spiegelman vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston hatte in dem Nature-Artikel dargelegt, dass Irisin auf die Fettzellen im Körper einwirkt und deren Stoffwechsel so beeinflusst, dass so genannte weiße Fettzellen in braune Fettzellen verwandelt werden. Diese bauen das Fett ab und wandeln die zuvor gespeicherten Kalorien in Wärme um. „Dies wirkt sich auch günstig auf den Blutzuckerspiegel aus, was bei den US-Forschern die Hoffnung weckte, dass man mit Irisin übergewichtige Menschen und Diabetes-Patienten behandeln könnte, ohne ihnen übermäßige Bewegung zuzumuten“, erläutert Hecksteden. Die Saarbrücker Sportmediziner um Professor Tim Meyer gehen jedoch davon aus, dass der Stoffwechsel im menschlichen Körper viel komplexer ist und regelmäßige Bewegung auch in absehbarer Zukunft wohl nicht durch eine „Sport-Pille“ zu ersetzen sein wird. Gemeinsam mit Studenten und Doktoranden am Sportmedizinischen Institut will Anne Hecksteden die Daten der Trainingsstudie weiter auswerten. Darüber will sie noch anderen Mechanismen, die durch Sport ausgelöst werden, auf die Schliche kommen.

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