FAU-Forscher identifizieren Risikofaktor für Computerspielabhängigkeit
In den USA können Ärzte seit Mai 2013 die Diagnose der Internetspielerkrankung stellen. Weil bisher nur vergleichsweise wenige Studien vorhanden sind, ist die Erkrankung noch nicht in dem europaweit verwendeten Diagnosesystem der Weltgesundheitsorganisation aufgeführt. Dennoch ist das Phänomen auch in Europa ernst zu nehmen.
Die beiden Forschergruppen um Prof. Dr. Johannes Kornhuber (Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik am Universitätsklinikum Erlangen) und PD Dr. Thomas Mößle (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen in Hannover) haben deshalb einen möglichen Risikofaktor für eine Computerspielabhängigkeit untersucht – und sich dabei auf Erkenntnisse aus früheren Studien zu alkoholabhängigen Patienten gestützt. Bei diesen konnte seinerzeit im Vergleich zu gesunden Studienteilnehmern ein kleineres Verhältnis von Zeigefingerlänge zu Ringfingerlänge – in der medizinischen Fachsprache 2D:4D – nachgewiesen werden, was ein bekanntes Indiz für erhöhte Testosteronspiegel während der Schwangerschaft ist. Männer sind aufgrund der eigenen Testosteronproduktion vor der Geburt per se höheren Testosteronspiegeln ausgesetzt und haben damit kleinere 2D:4D-Verhältnisse.
Im Rahmen des FLIP-Projekts (Finger Length in Psychiatry) haben die Wissenschaftler in einer aktuellen Studie mit Hilfe des 2D:4D-Verhältnisses nun auch die Bedeutung vorgeburtlichen Testosteroneinflusses für die Entstehung von Computerspielabhängigkeit untersucht. Dafür haben sie die 2D:4D-Verhältnisse von 27 männlichen riskant oder abhängig Computerspielenden mit 27 unproblematisch spielenden Männern verglichen. Das Ergebnis bestätigt die Hypothese der Forscher: Auch bei den Computerspielerkrankten zeigten sich kleinere 2D:4D-Verhältnisse als in der Kontrollgruppe der gesunden Probanden. Dies lässt den Schluss zu, dass ein hoher Testosteronspiegel vor der Geburt auch das Risiko für eine spätere Computerspielabhängigkeit steigert.
Männer weisen aufgrund der höheren vorgeburtlichen Testosteronbelastung entsprechend kleinere 2D:4D-Verhältnisse auf. Daneben steht das 2D:4D-Verhältnis aber auch mit Erkrankungen wie Alkoholabhängigkeit, Autismus oder Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) sowie mit geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen in Verbindung, die eher typisch „männliche“ Phänomene sind. Männer sind dementsprechend häufiger von Computerspielabhängigkeit betroffen als Frauen.
„Natürlich entscheiden viele weitere biologische, soziale und psychologische Faktoren darüber mit, ob jemand tatsächlich eine Abhängigkeit entwickelt oder nicht“, schränkt Prof. Dr. Johannes Kornhuber, der die Forschergruppe an der FAU leitet, ein. „Daher werden weitere Studien erst noch belegen müssen, inwieweit sich das 2D:4D-Verhältnis für eine Risikoabschätzung eignet.“
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